Die Heilerin
sie. Mevrouw Lucken hat ihren Sohn zum Angeln geschickt, doch der Fluss ist zugefroren. Und auch in den Fallen findet sich nicht genug Wild.«
»Ja.« Esther faltete die Hände. »Möge Gott uns helfen.«
»Das wird er, aber nur, wenn wir auch Hand anlegen unduns bemühen.« Margaretha seufzte, fuhr dann leiser und bedrückter fort, »Dabei bemühen wir uns ja schon. Was sollen wir noch machen? Es ist ein Elend. Und der Winter noch lang.«
Sie wurden vom Klopfen an der Tür in ihren Überlegungen gestört.
»Mejuffer op den Graeff?«, japste jemand. »Ich brauche Hilfe.«
»Das ist doch Elisabeth Kürdis, nicht wahr?« Margaretha sprang auf. »Sie ist schwanger.«
Elisabeth schleppte sich in den Wohnraum. »Mejuffer, irgendetwas stimmt nicht. Ich blute, und ich glaube, das Kind kommt. Aber es ist noch viel zu früh.« Schnaufend setzte sie sich auf die Bank.
»Warum habt Ihr niemanden geschickt?«
»Die beiden Großen sind mit meinem Mann zur Jagd, die beiden Kleinen liegen zu Hause noch im Bett.« Verzweifelt schaute die Frau sie an. »Ich wusste nicht, was ich tun sollte.«
»Nun beruhigt Euch erstmal.« Margaretha warf Esther einen Blick zu, Esther nickte verstehend.
»Komm, Samuel, zieh deine Stiefel an«, sagte sie und nahm Isaak hoch, wickelte ihn in eine Decke. »Wir gehen zu den Kürdis’. Nimm auch deine Holztiere mit, da kannst du mit Adam und Rahel spielen.« So schnell sie konnte, verließ sie mit den Kindern die Hütte. Margaretha wusch sich die Hände, dann wandte sie sich der Frau zu, die sichtlich unter Wehen litt.
»Elisabeth, es ist noch zu früh. Ich muss dich untersuchen«, sagte sie ernst.
»In fünf Wochen sollte das Kind kommen. Nicht jetzt.« Elisabeth rannen die Tränen über das Gesicht.
»Nun, nun«, versuchte Margaretha sie zu beruhigen. »Wir schauen erst mal.« Sie schob das Kleid hoch und legte ihre Hände auf den Bauch, strich vorsichtig über die gespannte Haut. Sie fühlte die Kontraktion, sah Elisabeth an, bemerktedie Anspannung und den Schmerz im Gesicht der Frau. »Atme in den Bauch. Langsam! Und jetzt pustest du die Luft aus … so ist es gut.«
»Es ist zu früh, viel zu früh«, jammerte die Frau.
»Ganz ruhig. Ich schaue jetzt nach dem Muttermund.« Margaretha rieb ihre kalten Hände aneinander, dann tastete sie vorsichtig nach dem Befund. »Die Geburt hat begonnen. Das Kind kommt noch heute«, sagte sie dann leise und wischte sich die Hand an einem Leinentuch ab.
»Es ist zu früh, das Kind wird sterben.« Elisabeth brach in Tränen aus.
Margaretha nahm das Hörrohr aus ihrem Korb, setzte es auf den Bauch der Frau, suchte die Herztöne des Kindes. Nach einer Weile richtete sie sich wieder auf. »Das Herz schlägt kräftig. Vielleicht hast du dich verrechnet und es kommt zur rechten Zeit?«
»Nein!« Elisabeth schüttelte den Kopf. »Es ist zu früh.« Wieder verzog sie ihr Gesicht, spannte sich an.
»Elisabeth, verzag nicht. Atme tief in den Bauch. Hierhin, da wo meine Hände liegen.«
Was hättest du jetzt getan, Moedertje, dachte Margaretha verzweifelt. Wäre sie früher gekommen, hätte ich einen Trank brauen können. Mit der Kraft der beruhigenden Kräuter und viel Ruhe hätte ich die Geburt vielleicht aufhalten können, aber nun? Wenn jetzt das Kind kommt und stirbt, dann hängt wieder ein böses Omen über dieser Siedlung. Wenn das zweite Kind innerhalb kurzer Zeit tot geboren wird, dann fällt das auf mich zurück. Moedertje, was soll ich tun? Sie bekam keine Antwort, doch die Zeit drängte.
»Elisabeth, du musst tief Luft holen, in den Bauch atmen, gut atmen. Versuch’ deine Arme und Beine zu lockern. Ich werde in die Küche gehen und Wasser aufsetzen, aber ich komme gleich wieder.«
»Geh nicht.« Elisabeth griff nach ihrer Hand, hielt sie fest. Unsicher schaute Margaretha sich um. Sie mochte die Fraunicht alleine lassen, aber dennoch war einiges zu tun. In diesem Moment öffnete sich die Tür der Hütte, und Rebecca trat ein.
»Gut, dass du kommst, Rebecca. Du musst mir helfen, Elisabeth bekommt ihr Kind.«
»Jetzt? Hier?« Erschrocken sah Rebecca sie an.
»Ja.« Margaretha drehte sich ungehalten zu ihrer Schwägerin um. »Ich brauche deine Hilfe. Setze Wasser auf! Und hol mir saubere Leinentücher und meinen Kräuterkorb, er steht neben dem Kamin.«
Es war Elisabeths fünftes Kind; die Geburt ging schnell und einfach vonstatten, nachdem Margaretha Elisabeth hatte beruhigen können.
»Elisabeth, du musst die Geburt zulassen. Das Kind
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