Die Heilerin
Achseln.
»Sie sprechen nicht mit Frauen, habe ich gehört«, sagte Hermann. »Aber sie schätzen sie wohl. Ich verstehe ihre Lebensweise noch nicht. Vielleicht müssen wir das auch gar nicht. Es gibt nur noch zwei Familienverbände der Lenape, die hier siedeln. Auch nur im Winter, im Sommer ziehen sie nach Norden. Diese Stämme werden über kurz oder lang wegziehen.«
»Hermann, die Lenape leben schon immer hier?«
»Ich denke schon, warum?«
»Dann ist es doch ihr Land? Auch wenn sie es nicht begrenzen und einfrieden. Hat die englische Krone für das Land bezahlt? Hat sie es von den Lenape gekauft?«
Hermann sah seine Schwester nachdenklich an. »Wir haben das Land gekauft. Für viel Geld. Wir haben alles, was wir hatten, dafür gegeben.« Er seufzte. »Penn wurde das Land von der englischen Krone verliehen. Er hat es an uns weiter verkauft.« Er schüttelte den Kopf. »Das muss rechtmäßig sein, Zusje.«
»Ja.« Margaretha schaute zu dem Wilden, der immer noch stoisch auf der Bank saß und das Treiben um ihn herum gar nicht zu bemerken schien.
»Was machen wir jetzt mit Mevrouw Kürdis?«, fragte Hermann und strich sich über das Gesicht.
»Machen? Nicht viel. Sie wird die Nacht hier verbringen müssen. Und ich auch. Ich bereite mir ein Lager auf dem Boden, sei ohne Sorge, Bruder. Aber ich möchte schon bei ihr bleiben.«
»Das ist gar keine Frage, Zusje. Du musst sie unterstützen.«Er holte tief Luft, schüttelte dann den Kopf. »Esther und die Kinder sind bei Kürdis’. Da sollen sie für die Nacht auch bleiben. Das ist am besten für das Neugeborene. Und morgen schauen wir weiter.«
»Ich habe die Abendmahlzeit für euch schon vorbereitet, die könntest du mitnehmen«, sagte Margaretha. »Der erlegte Hirsch sollte eh noch abhängen. Aus den ausgelösten Knochen sollten wir eine Brühe kochen. Viele Familien darben und können das Mark gut gebrauchen.«
»Ja, wir teilen die Mahlzeit auf. Jeder geht in seine Hütte, ich werde bei Kürdis’ nächtigen, zusammen mit Esther und den Kindern. Ja, so machen wir das.« Erleichtert lächelte er.
Hermann nahm die Speisen mit, ging zu Kürdis. Rebecca und Dirck blieben zum ersten Mal auch in ihrem Heim, genauso wie Abraham und Catharina. Catharina weigerte sich, Hermanns Hütte zu betreten, solange der Wilde dort war. Margaretha hatte die Aussage mit einem Schulterzucken quittiert, es war an der Zeit, nicht mehr auf jede Grille der Schwägerin einzugehen, dachte sie.
Zusammen mit Pastorius und Hololesqua nahm sie das schlichte Mahl ein. Es war seltsam ruhig in der Hütte, die sonst immer vor Leben zu bersten schien. Nur hin und wieder hörte man das leise Quäken des Neugeborenen im Nebenraum. Margaretha hatte Elisabeth eine Brühe gekocht, brachte ihr nun Brot und den letzten Rest Käse.
»Er versucht zu trinken, aber da kommt noch nicht viel«, sagte die Mutter besorgt.
»Es wird schon kommen. Mach dir keine Gedanken, der Kleine macht einen gesunden Eindruck. Wir müssen ihn nur aufpäppeln.« Margaretha nahm das Kind, während die Mutter aß. Sie wiegte den Kleinen sachte, schnupperte an seinem Kopf. Säuglinge haben immer diesen besonderen Duft, dachte sie betört.
Pastorius trat zu ihr, betrachtete den Säugling und lächelte sanft. »Welch ein friedlicher Anblick.«
»Ja, hoffen wir, dass er wächst und gedeiht.« Sie schaute Pastorius an, seine Augen leuchteten, und sein Lächeln machte sie verlegen und ein bisschen glücklich.
Am nächsten Tag zerlegten die Männer den Hirsch. Überrascht schaute Margaretha auf, als Hololesqua, gestützt auf den Besen, zur Küchentür humpelte. Sie hatte seinen Fuß wieder verbunden, die Wunde schien gut zu heilen. Er blieb in der Tür stehen, schaute zum Waldrand, dann drehte er sich um und setzte sich wieder auf die Küchenbank.
Inzwischen war auch den anderen in der Siedlung der ungewöhnliche Gast nicht verborgen geblieben. An diesem Tag kamen mehr Besucher als sonst zu Hermanns Hütte, um etwas zu fragen, etwas auszuborgen oder zurückzubringen. Jeder wollte einen Blick auf den Wilden werfen.
Gegen Mittag untersuchte Margaretha Elisabeth. Ihr Zustand war zufriedenstellend, die Milch schien einzuschießen, und auch dem Kind ging es gut. Nichts stand einem Umzug in ihre eigene Hütte entgegen. Manch einer bot seine Hilfe an.
»Was für eine Aufregung.« Elisabeth lachte verlegen. »Dabei habe ich doch nur ein Kind bekommen.« Dann schaute sie sich um, beugte sich vor und flüsterte Margaretha zu.
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