Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
an seiner Zufriedenheit, dem glücklichen Schnuppern und Schnauben.
    Und als die alte Katze starb – da war Eva zwei, höchstens drei Jahre alt, das Tier lag morgens tot vor dem Herd –, hatte das Kind bitterlich geweint. Immer und immer wieder streichelte sie das struppige Fell der toten Katze, konnte sich garnicht beruhigen lassen. Nur mit Mühe brachten sie Eva aus der Küche und konnten die Katze wegbringen. Zwei Stunden später spielte Eva mit dem Kater und einem Wollknäuel, so als hätte es keinen Tod gegeben.
    Eva war beides und das immer vollkommen – Glück, Fröhlichkeit oder tiefste Trauer und Kummer. Sie lebte ihre Gefühle aus, sie war eins mit ihnen. Und doch war sie in ihrer kurzen Lebenszeit eher fröhlich, glücklich, ja, fast strahlend gewesen.
    All diese Erinnerungen gingen Margaretha durch den Kopf.
    »Geh ins Bett, Meisje.« Isaak schüttelte sie sanft am Arm.
    »Der Tag war hart und bitter, und du hast dich wacker gehalten, aber nun musst du schlafen.«
    »Und die Gäste?«, seufzte Margaretha.
    »Die gehen jetzt. Morgen kommen sie wieder, und es wird noch anstrengender. Aber gemeinsam stehen wir das durch. Geh schlafen, Liebes.«
    Müde kniff Margaretha die Augen zusammen. Alles verwischte und verschwamm. Sie schüttelte den Kopf.
    »Nun komm, ich bringe dich nach oben«, sagte Hermann, der plötzlich an ihrer Seite stand. Oder hatte er schon vorher dort gestanden? Margaretha wusste es nicht.
    Gemeinsam stiegen sie die Treppe nach oben. Auf dem Absatz blieben sie stehen. Margaretha schaute zur Tür des Elternschlafzimmers. Sie wusste, sie sollte nach Gretje sehen, aber ein Grauen erfasste sie.
    »Mutter …«, Hermann schluckte.
    »Ja.«
    Sie mussten nicht mehr sagen, teilten die Gedanken, die Ängste. Gretje hatte die Familie zusammengehalten, mehr als das, sie war der ruhende Pol in der Gemeinde, in der Stadt. Immer herzlich, helfend, freundlich. Und nun? Würde sie wirklich »wunderlich« werden?
    »Ich muss nach ihr sehen.« Margaretha ballte die Hände zu Fäusten, spürte die lähmende Angst.
    »Ja.« Hermann hauchte das Wort nur, sah zu der Tür, als könnte ihr ein Dämon entspringen. Dann räusperte er sich. »Ich warte hier. Ich bleibe hier, solange, bis du wiederkommst.«
    Dankbar sah Margaretha ihn an. Dann ging sie zur Tür, öffnete sie einen Spalt, spähte in das Zimmer. Die Kerze flackerte im Luftzug, Schatten spielten Fangen an den Wänden. Gretjes Mund stand offen, ihr Arm hing an der Seite des Bettes herab. Margaretha biss sich auf die Lippen, ein verzweifeltes Stöhnen presste sich durch die zusammengebissenen Zähne. Dann seufzte Gretje auf, schmatzte einmal und drehte sich auf die Seite.
    »Sie lebt«, flüsterte Margaretha erleichtert. »Schläft nur.«
    »Aber ist sie wieder wohlauf und … zuträglich?«, fragte der Bruder unsicher. Margaretha schaute ihn an, sah die Angst in seinem Blick, die Unsicherheit, die sie auch verspürte.
    »Ich weiß es nicht«, wisperte sie beklommen. »Die Zeit wird es zeigen.«
    Hermann nahm sie in den Arm, drückte sie an sich. Er roch nach Tabak und Rauch, nach dem fetten Fleisch, das in der Küche gereicht worden war, und Kohl. Er roch nach diesem Haus und sich selbst und gab Margaretha das, was sie in diesem Moment nicht hatte, ein wenig Sicherheit.
    »Es ist furchtbar, es ist grausig, aber wir sind eine starke Familie und werden es überstehen. Auch Mutter, irgendwann, irgendwie. Sie wird darüber hinwegkommen.«
    »Wie kann man darüber hinwegkommen?«
    »Indem man es annimmt als Schicksal. Gott gibt einem kein Schicksal, das man nicht tragen kann, so hart und schwer es auch sein mag. Man muss versuchen, daran zu wachsen.«
    »Was gibt dir die Zuversicht, diese Worte zu sagen, Hermann?«
    »Du. Ihr. Diese Familie. Eva war ein Sonnenschein, eine Frohnatur. Sie hat fast nur gelacht, gelächelt, sich gefreut. Du bist ähnlich, aber ernster, weiser. Du hast nicht ihre Leichtigkeit,aber ihren Frohsinn. Und Mutter hat ihn auch. Sie wird wieder aus dem Abgrund hervorkommen, da bin ich mir sicher. Es mag dauern, aber solange du da bist, werde ich die Hoffnung nicht verlieren. Und nun geh schlafen, ruh dich aus, Meisje.«
    Margaretha löste sich aus der schützenden Wärme seiner Arme, öffnete die Tür zu ihrer Kammer. Das Bett war noch nicht wieder neu bezogen, und die kahle Bettstatt von Eva drohte düster. Schaudernd stand Margaretha da, traute sich nicht, das Zimmer zu betreten.
    »Godallemachtig, nein«, sagte Hermann leise. »Hier

Weitere Kostenlose Bücher