Die Heilerin
kannst du nicht schlafen. Komm, nimm mein Bett. Ich werde unten nächtigen. Komm, Liebes.« Er führte sie in seine Kammer, entzündete das Licht, küsste sie auf die Stirn. »Ruf nur oder komm, wenn etwas ist, Margret. Ich bitte dich, nimm nicht allen Kummer auf deine Schultern. Wir halten zusammen.«
Margaretha kuschelte sich unter die raue Decke. Sie dachte, dass sie nie mehr in den Schlaf finden würde, zu viele Gedanken und Sorgen tanzten Reigen in ihrem Kopf. Und dann schlief sie ein.
In der Nacht wachte sie auf, schaute an die gegenüberliegende Wand. Doch dort stand kein Bett. Verwirrt richtete sie sich auf, sah sich um. Dann wurde ihr klar, dass sie gar nicht in ihrem Zimmer lag, dass es kein zweites Bett gab, in dem ihre Schwester schlief. Nie wieder würde sie nachts den ruhigen und gleichmäßigen Atem von Eva hören. Nie wieder würde sie das Kind zu sich ins Bett nehmen, den warmen und weichen Körper an sich drücken können. Eva war tot.
Margaretha ballte das Kissen zusammen, presste es gegen ihren Bauch, biss sich auf die Lippen, bis es schmerzte. Die Tränen liefen und liefen.
Kapitel 9
In der Nacht hatte es wieder geschneit. Margaretha war früh aufgestanden. Ihre Augen brannten, und ihr Gesicht fühlte sich verquollen an. Sie holte frisches Wasser aus dem Brunnen und wusch sich. Das Wasser war bitterkalt, aber es erfrischte sie. Dann spülte sie das Geschirr des gestrigen Abends und räumte die Küche auf. Als ihr Vater wenig später die Treppe herunterkam, prasselte das Feuer munter im Kamin, und die Grütze brodelte im Topf. Margaretha hatte Speck hinzugefügt. Sie war sich sicher, dass alle eine gute Grundlage brauchten, um den Tag zu überstehen.
»Guten Morgen, Meisje«, sagte der Vater leise und ging nach draußen. Auch er wusch sich ausdauernd mit kaltem Wasser. Isaak hatte dunkle Ränder unter den Augen, sein Gesicht wirkte grau. Viel Schlaf hatte er nicht bekommen, das sah man ihm an. Dankend nahm er die Schüssel mit der heißen Grütze, setzte sich an den Tisch. Margaretha traute sich nicht, nach der Mutter zu fragen.
Hermann kam aus Annemiekes Kammer, in der er die Nacht verbracht hatte. Auch er setzte sich schweigend an den Tisch, löffelte die Grütze. Schließlich sah er auf.
»Vater, wie geht es Mutter? Ich mache mir große Sorgen um sie.«
»Nicht nur du, mein Sohn, nicht nur du.« Isaak seufzte schwer. »Sie redet nicht. Ihr Blick scheint leer und durch mich durchzugehen. Ich weiß nicht, was wir machen sollen. Vielleicht hat sich der Kummer in ihrem Körper aufgestaut, und ein Aderlass wäre hilfreich.«
»Mutter hält gar nichts davon. Sie sagt, das entzieht dem Körper nur Kraft. Soll ich nach ihr sehen?«, fragte Margaretha.
»Bring ihr etwas zu essen und einen Schluck Wein, bitte.«
»Wird sie nicht aufstehen, Vater?« Hermann schüttelte entsetzt den Kopf. »Sie wird doch mitkommen?«
»Ich glaube kaum, dass sie das schafft.«
Margaretha nahm Grütze und Würzwein, in den sie ein Ei rührte und ein wenig Frauenmantel gab. Langsam ging sie die Treppe nach oben. Isaak glaubte nicht, dass Gretje aufstehen können würde. Aber, dachte Margaretha, die Beerdigung wird wichtig für Mutter sein. Sie muss sehen, dass Eva beerdigt und Gott anempfohlen wurde. Abschiednehmen ist bedeutsam, das hatte Gretje immer wieder gesagt, wenn Kinder tot geboren wurden oder nach der Geburt verstarben.
Margaretha nahm ihren Mut zusammen und öffnete die Tür zur Kammer der Eltern. Gretje war wach, die Augen hatte sie geöffnet und starrte an die Decke.
»Guten Morgen, Mutter«, sagte Margaretha und versuchte ihrer Stimme Zuversicht zu geben. »Ich bring dir das Frühmahl.«
Genau wie gestern reagierte Gretje nicht.
»Mutter?«
Weder blinzelte sie, noch wendete sie den Kopf. Ihr Atem ging gleichmäßig, aber er erschien Margaretha sehr hastig.
Margaretha stellte die Schale und den Becher auf den Kasten neben die Kerze. Das erste, vorsichtige Licht des Tages begann den Himmel zu erhellen.
»Moedertje, ich habe Grütze gekocht, mit Speck. Das wird dich wärmen und dir guttun. Und Würzwein mit Ei habe ich dir bereitet.« Sie berührte Gretje sanft am Arm, doch diese schien die Berührung nicht zu bemerken. Margaretha stöhnte auf. Was sollte sie nun tun? Wie sollte es weitergehen? Würde ihre Mutter nun in diesem Zustand verbleiben? Vor sich hin dämmern, reglos und ohne Anteilnahme am Leben?
Sie setzte sich auf die Bettkante neben ihre Mutter, nahm deren Hand in ihre und rieb
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