Die Heilerin
der sanft schnurrte, lauschte den gleichmäßigen Atemzügen des Hundes, der zu ihren Füßen auf der Bettstattlag. Würde Hermann der Glaube helfen? Konnte sie ihn unterstützen? Über diese Gedanken schlief sie ein.
Der Tischler Johann Lenßen kam am nächsten Morgen mit seinem Lehrling. Isaak führte beide direkt in das Nebenhaus. In der Küche roch es streng nach Kohl. Margaretha riss die Fenster und Türen auf, lüftete einmal durch.
»Zu bitter«, sagte auch Gretje und probierte das Mahl und rümpfte die Nase. »Woher ist der Grünkohl?«
Margaretha senkte den Kopf. »Vom Platenhof.«
»Ach? Nun wirklich?« Gretje lachte leise. »Wir werden den Kohl retten, das bekomme ich hin und werde es im Hinterkopf behalten. Wir werden auch kein Wort darüber zu Rebecca verlieren.«
»Warum nicht?«
»Weil sie nichts dafür kann, keine Schuld trägt und keine Verantwortung tragen soll.« Gretje schaute zum Hof, sie hatte die Magd hinausgeschickt, um das Vieh zu füttern und Speck aus der kalten Vorratskammer zu holen.
»Mutter, darf ich dich etwas fragen?« Margaretha knetete den Brotteig.
»Bedrückt dich etwas?«
»Ich mache mir Gedanken um meinen Glauben. Hermann hat mir von den Quäkern erzählt und ihrer Hingabe zu Gott. Sie brauchen keine Regeln, keine Predigt, keine Lieder. Ich brauche das aber. Ist mein Glaube nicht tief genug?«
»Ob dein Glaube tief und fest ist, kann ich nicht beantworten. Darauf wissen nur du und Gott die Antwort.« Gretje wischte sich die Hände ab, setzte sich an den Küchentisch und sah Margaretha nachdenklich an. »Du wirst im nächsten Jahr getauft, wenn du das willst. Willst du?«
»O ja, natürlich. Das ist mir wichtig. Ich möchte ein Teil der Gemeinde sein.«
»Ich weiß noch nicht viel über die Quäker. Ich weiß allerdings sehr wohl, dass die Männer sich damit auseinandersetzenund mehr darüber in Erfahrung bringen wollen. Das ist gut und rechtens. Gott ist das Wichtigste in unserem Leben.« Gretje lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust. »Es scheint, als würden die Quäker intensiver, reiner glauben oder ihren Glauben schlichter ausleben. Wir Mennoniten begreifen uns ja auch durch die Schlichtheit. Im Vergleich mit den Katholiken sind wir sehr schlicht. Und auch schlichter als die Lutheraner. Und doch haben wir einige Rituale.«
»Ja, Mutter. Ich schätze die Rituale. Manchmal komme ich erst dann, wenn wir Psalmen singen, wirklich zur Ruhe und kann mich auf Gottes Wort besinnen.«
»Und was ist daran falsch?«
Margaretha sah sie verblüfft an. »Das weiß ich ja eben nicht. Das Gespräch mit Hermann hat mich dazu gebracht, darüber nachzudenken. Und ich hatte Zweifel an mir. Eben weil ich diese Rituale brauche.«
»Die meisten Menschen brauchen Rituale. Davon haben wir viele. Unser ganzer Tagesablauf ist vorgegeben. Und jeder Mensch unterscheidet sich vom anderen ein wenig. Ich mag auch feste Sitten und Regeln. Manche brauchen das nicht. Ich denke, das muss jeder mit sich selbst ausmachen, Dochtertje.«
»Du meinst, ich sollte mir den Kopf nicht weiter zerbrechen?« Margaretha lächelte.
»Weiter darüber nachdenken und deinen Glauben prüfen solltest du schon. Wenn du aber gar keine wirklichen Zweifel hast, solltest du dich nicht von anderen verunsichern lassen.« Gretje nickte, stand dann seufzend auf. »Ich muss gleich noch zu der jungen Mutter. Magst du mich begleiten? Die Geburt war schwer, aber das Wochenbett verläuft bisher problemlos.«
»Natürlich komme ich mit.«
Die nächsten Tage verliefen friedlich, auch wenn konstantes Sägen und Hämmern vom Nebenhaus zu ihnen drangen. Rebecca gab sich alle Mühe, ihre Pflichten zu erfüllen. Nach Wochenhatte Margaretha endlich wieder einmal das Gefühl, durchatmen zu können. Sie schlief ruhiger, ging mit der Mutter auf Krankenbesuche, lief mit dem Hund durch den Wallgarten oder ritt mit einem der Brüder aus. Ihre Pflichten im Haushalt erfüllte sie sorgsam, da aber nun Rebecca tatsächlich einiges übernahm, konnte sie entspannter vorgehen.
Am Silvestermorgen herrschte die gespannte Erwartung, die alle dann ergriff, wenn ein besonderes Ereignis bevorstand. Margaretha und Gretje bereiteten Fettgebäck vor, Rebecca musste die Stube fegen und putzen. Heute würden sie dort am Tisch sitzen, der Raum geschmückt mit Äpfeln, Tannenzapfen und Kerzen. Der Jahresübergang war immer ein besonderer Tag, und es gab, obwohl sie Aberglauben ablehnten, doch ein paar mystische Spiele. Blei
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