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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sie Rebecca kurz, worauf sie bei dem köchelnden Essen achten musste, bat die Magd, das Brot zu backen. Hermann hatte die beiden Pferde schon gesattelt. Der Atem derTiere stand dampfend vor ihren Nüstern, sie scharrten mit den Hufen, schienen begierig auf den Ausritt zu warten. Hermann half seiner Schwester in den Sattel, und schon bald passierten sie das Stadttor.
    »Wohin willst du?«, fragte Margaretha und versuchte, die Stute zu zügeln.
    »Lass uns zur Burg Crackau reiten.«
    »Ja!« Margaretha ließ die Zügel frei. Vorsichtig tänzelte das Pferd durch den Schnee. Doch dann fasste es Zutrauen in die feste Schneedecke. Margaretha genoss den Wind, der ihr ins Gesicht wehte, die schneebedeckten Felder, an denen sie vorbeiritten. Alles sah rein und unberührt aus, ganz anders als das matschige Grau in der Enge der Stadt. Sie ließ die Stute laufen, kehrte nach einer Weile um. Hermann versuchte vergebens, den Braunen in eine schnellere Gangart zu bewegen.
    »Du scheinst mehr zu schwitzen als der Dicke«, sagte Margaretha lachend.
    »Er hat sich vermutlich an das faule Winterleben gewöhnt«, murrte Hermann.
    »Wobei die beiden auch im Sommer und Herbst dieses Jahres nicht viel bewegt worden sind. Sterje ist so spritzig wie immer, aber sie ist ja auch noch jung.«
    »Ja.« Hermann ließ den Wallach Schritt gehen. Margaretha hatte Mühe, die Stute zu zügeln, doch schließlich gingen beide nebeneinander her. Es dämmerte schon, das fahle Sonnenlicht spiegelte sich seltsam blass im Schnee.
    »Wenn wir bis zur Burg reiten, wird es bald dunkel werden«, meinte Hermann.
    »Ja und? Meinst du, wir finden den Weg nach Hause nicht mehr?« Margaretha lachte.
    »Doch sicher, aber hast du keine Angst im Dunkeln?«
    »Du bist doch bei mir.«
    »Ja«, sagte Hermann, aber es klang merkwürdig.
    »Ja?«
    »Natürlich bin ich bei dir.«
    Das klingt seltsam, dachte Margaretha, etwas bedrückte ihren Bruder. Sie versuchte seinen Blick zu erhaschen, doch Hermann schaute stur geradeaus.
    »Hast du Kummer, Hermann?«
    »Kummer? Nein.« Hermann klang verstockt, dann schluckte er. »Meisje, es ist alles nicht so einfach. Die Gemeinde, Vater, das Leben in der Stadt … eigentlich alles.«
    »Ich weiß, dass es nicht einfach ist, aber was quält dich denn so sehr?«
    »Im nächsten Monat kommt der Quäker Steven Crisp wieder nach Duisburg und wird dort einen Vortrag halten. Einmal habe ich ihn schon gehört. Das nächste Mal nehme ich dich mit. Seine Ansichten und das, was er vertritt, sind faszinierend. Jeder Mensch trägt die Anlage Gottes in sich, es ist an dem Menschen, herauszufinden, was dies für ihn bedeutet.« Plötzlich klang Hermann euphorisch.
    »Aber was ist daran anders oder neu? So ähnlich hat es der Prediger neulich auch formuliert.«
    »Doch, doch, das ist neu, es ist anders. Wir feiern Gottesdienst nach einer Liturgie. Wir haben eine lange Predigt, Psalmgesänge. Zeiten, in denen die Gedanken abschweifen können. Die Quäker haben das nicht, sie sitzen still beieinander, und wenn jemanden aus der Gemeinde das göttliche Licht streift, erhebt er sich und tut es kund. Es ist die Hingabe an den Glauben, ganz und gar. Ohne Regeln und Grenzen.«
    »Du meinst, sie singen noch nicht einmal Psalmen?« Margaretha sah ihren Bruder ungläubig an.
    »Nein, das tun sie nicht. Kein getragenes Gehabe im Namen Gottes. Nur der Glaube gilt, wahr und wahrhaftig.«
    »Wie langweilig. Ich mag den Gesang. Was machen die denn bei der Andacht?«
    »Margaretha, sie glauben. Und sie geben sich ihrem Glauben hin.«
    Margaretha schüttelte leise den Kopf. »Und dich begeistert diese Art zu glauben, den Glauben zu leben?«
    »Ja!«
    »Hast du schon mit Vater darüber gesprochen?«
    Hermann warf ihr einen vernichtenden Blick zu. »Natürlich nicht. Vater möchte zu den Gemeindeältesten gehören. Wenn sein ältester Sohn sich von den Mennoniten abwendet, wird er nicht begeistert sein.«
    »Vermutlich nicht. Doch es ist dein Leben und dein Glaube. Das kann und wird er dir nicht vorschreiben.«
    Hermann seufzte. »Da bin ich mir nicht so sicher. Aber mich lässt der Gedanke nicht mehr los. Dieser reine Glaube, so ganz ohne Vorgaben, nur die Bibel gilt.«
    »Das glückt nicht«, sagte Margaretha leise.
    »Warum nicht, Zusje? Warum sollte das nicht glücken?«
    »Weil es dann schon längst geschehen wäre, Hermann. Von Anbeginn an. Der reine Glaube war doch immer da. Aber die Menschen brauchen Regeln, Formen, Gesetze und Lieder. Wirklich. Manchmal komme

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