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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ich erst dann, wenn wir die Psalmen singen, zur Ruhe und spüre die Gegenwart Gottes. Erst dann finde ich meinen Glauben.«
    »Wirklich? Dann gibst du dir nicht redlich Mühe. Das solltest du aber tun.«
    Margaretha schnaufte, dann wendete sie die Stute. »Es wird dunkel, lass uns nach Hause reiten. Wer als Erster am Stadttor ist.«
    »Das ist ungerecht. Du weißt, dass ich dich nie einholen kann …«, rief Hermann hinter ihr her.
    Als sie das Haus erreichten, duftete es schon im Hof nach Braten und Kohl.
    »Mutter hat Grünkohl aufgesetzt«, sagte Hermann und leckte sich über die Lippen. »Hoffentlich hat sie noch Würste dazu. Rindswürste und Schweinebauch, so schmeckt er am besten.«
    »Nein, mit Gänseschmalz und Mettenden«, meinte Margaretha. »Der Kohl sollte glänzen. Aber essen dürfen wir den erst morgen. Kohl muss eine Nacht durchziehen, sonst schmeckt er nicht.«
    »Aber auch mit Schweinefüßen schmeckt Grünkohl köstlich …«
    »Hör auf, Hermann.« Margaretha stupste ihren Bruder sacht in die Seite, während sie über den Hof gingen. »Ich habe Hunger. Es wird Schweinebraten geben und Hühnerfrikassee.«
    »Mit Erbsen?«
    »Ja, mit Erbsen und Äpfeln.«
    »Ich bin als Erster am Tisch.« Spielerisch drängte er sie zur Seite und öffnete die Tür zur Küche. Dampfschwaden quollen ihnen entgegen, hüllten sie ein.
    Die Stimmung am Tisch war fröhlich, sie genossen das gute Mahl.
    »Morgen in der Früh wird Tischler Lenßen mit einem Lehrling kommen und versuchen, den Webstuhl zu reparieren.« Isaak seufzte, nahm sich dann nochmal nach. »Ich danke Gott, dass es überhaupt machbar zu sein scheint. Aber Flickwerk hält nie lange, und ich habe einen neuen Webstuhl in Auftrag gegeben. Doch das kann dauern.«
    »Das ist eine gute Entscheidung«, sagte Hermann und trank einen Schluck Würzwein. »Lenßen ist ein guter Tischler, der Beste hier in Krefeld. Hat Lenßen gesagt, wie lange er brauchen wird?«
    »Das konnte er nicht, minn Zoon. Aber wir haben ja schon ordentlich gearbeitet in diesem Jahr. Unser Pensum haben wir übertroffen bisher. Wenn wir jetzt ein paar Tage länger aussetzen müssen, wird das nicht so schlimm sein.«
    »Das stimmt allerdings, Vater. Unsere Flachsvorräte sind arg geschrumpft.« Abraham lehnte sich zurück. »Das Essen war köstlich, Mutter. Habt Dank dafür.«
    »Ja!«, sagte Dirck. »Es war so gut, dass ich einen Branntwein gebrauchen könnte. Wer noch?«
    »Geh in den Vorratsraum, dort steht ein Krug«, meinte Gretje vergnügt. »Ich denke, wir alle könnten einen Schluck vertragen.«
    Sie redeten über dies und das, verbrachten einen schönen Abend. Schließlich zogen sich die Männer auf eine Pfeife in die Stube zurück, während die Frauen die Küche aufräumten.
    Den ganzen Abend hatte Margaretha das Gespräch mit Hermann verdrängt, doch als sie im Bett lag, kamen die Worte wieder hervor. Glaubte sie nicht genug? Nicht intensiv genug? Waren die Predigt, die Lieder, die Liturgie denn wirklich so verwerflich? Mehrfach war sie in lutheranischen Gottesdiensten gewesen, wenige Male hatte sie katholische Messen besucht. Dort gab es viel mehr an vorgegebener Frömmigkeit, an Ritualen und Opfern als bei den mennonitischen Gottesdiensten. »Schlicht sollt ihr sein«, sagte der Prediger immer. Schlicht und gottesfürchtig. Aber das war sie doch, oder nicht? Was fehlte ihr, um so glauben zu können wie Hermann? Zu glauben ohne Regeln und ohne schlichte Rituale, das konnte Margaretha sich nicht vorstellen. Für Hermann schien es unabdingbar zu werden, seinen Glauben anders, intensiver zu leben. Aber vielleicht, dachte Margaretha und drehte sich auf den Rücken, hob den Kater an und legte ihn sich auf den Bauch, wo er sich schnurrend zusammenrollte, vielleicht war das auch nur eine Art, sich von der Familie abzugrenzen. Hermann war fast dreißig. Es wurde Zeit für ihn, sein eigenes Leben zu leben. Nur Sohn war er schon lange nicht mehr. Er führte die Geschäfte mit dem Vater zusammen, erledigte viele Geschäfte und trug Verantwortung. Und doch hatte er nicht den Stand eines gleichberechtigten Partners, noch nicht einmal den eines gleichberechtigten Familienangehörigen.
    Soweit Margaretha wusste, hatte Hermann noch nicht mit dem Vater über Esther, eine Heirat und alles Weitere gesprochen. Diese Ungewissheit machte ihn gewiss unruhig. Er hatte als erstes Kind, das sich aus dem Familienband löste, einen schweren Stand. Auf einmal tat Hermann ihr leid. Sie streichelte den Kater,

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