Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder
Bild, sich auch heute vorzustellen: Ich sitze auf dem Baum, geschützt vom Laubdach. Ich bin eins mit der Natur, eins mit mir. Und ich kann die Situation in meinem Leben von oben aus in aller Ruhe betrachten. Das, was unten geschieht, ist nicht alles. Ich kann mich dem immer wieder entziehen, indem ich auf meinen inneren Baum steige und mich dort geborgen und geschützt fühle. Erst wenn man mit guten inneren Bildern in Berührung ist, kann man sich auch den Schreckensbildern stellen. Dabei ist es wichtig, dass wir uns immer auch von diesen Bildern distanzieren können, wenn sie zu bedrohlich werden. Dann flüchten wir in den inneren Ort, in dem wir geschützt sind. Wenn wir dann wieder ganz bei uns sind, können wir von neuem versuchen, mit einem anderen Beobachter gemeinsam die traumatischen Bilder anzuschauen und sie dadurch aufzulösen.
C. G. Jung hat ähnliches gedacht und als Psychohygiene entwickelt. Jung spricht von aktiver Imagination. Er versteht darunter, dass der Mensch Bilder des Unbewussten mit seiner Phantasie ausmalt. Er definiert die aktive Imagination so: »Diese ist eine von mir angegebene Methode der Introspektion, nämlich der Beobachtung des Flusses innerer Bilder: man konzentriert die Aufmerksamkeit auf ein eindrucksvolles aber unverständliches Traumbild oder auf einen spontanen visuellen Eindruck und beobachtet, welche Veränderungen am Bilde stattfinden.« (Jung Band 9/I,207) Man kann diese aktive Imagination sehr gut bei der Traumdeutung verwenden. Anstatt den Traum rational zu deuten, versuche ich, ihn nochmals in der Phantasie durchzugehen. Man kann sich das so vorstellen: Ich sitze ganz allein im Kino vor einer großen Leinwand. Neben mir ist ein Filmapparat. In diesen Apparat lege ich meinen Film ein. Ich lasse den Film laufen. Ich kann die Geschwindigkeit regulieren. Ich kann den Film ganz langsam laufen lassen. Ich kann ihn zum Stehen bringen. Dann befrage ich die Bilder, die Personen, die Dinge, die ich im Traum sehe: »Was willst du mir sagen? Warum stellst du dich mir in den Weg?« Durch diesen Dialog entstehen vielleicht andere Bilder. Oder der Traum läuft in der Phantasie weiter und kommt in eine ganz andere Richtung. Das phantasievolle Weiterträumen gibt dann oft eine neue Deutung. Auf einmal verstehen wir den Traum. Jung meint, in der Imagination sollten wir einfach die Bilder hochkommen lassen, die von alleine kommen. Er nennt das Geschehenlassen und meint, wir westlichen Menschen hätten das verlernt: »Man muss geschehen lassen können. Ich habe vom Osten gelernt, was er mit Wu Wei ausdrückt,nämlich das Nicht-Tun, das Lassen. Auch andere haben das erkannt, so Meister Eckhardt, wenn er davon spricht, ›sich zu lassen‹.« (Jung, Band 7, 203)
Bei der aktiven Imagination eines Traumes muss ich den Traum nicht unbedingt weiterträumen oder mit den Personen oder Gegenständen des Traumes ins Gespräch kommen. Oft genügt es einfach, das Traumbild nochmals anzuschauen und es zu verinnerlichen. Eine Frau träumte, dass sie in einem Haus war und dort die verschiedenen Räume erforschte. Auf einmal kam sie in einen lichtdurchfluteten weiten Raum. In diesem Raum fühlte sie sich geborgen, von Licht erfüllt. Es ist nicht nötig, diesen Traum zu deuten. Die heilsame Wirkung des Traumes entfaltet sich, wenn die Frau dieses Bild des lichterfüllten Raumes meditiert und in sich einbildet. Dann kommt sie in Berührung mit dem inneren Raum ihrer Seele, der voller Licht ist, in dem der ursprüngliche Glanz des göttlichen Bildes in ihr aufstrahlt. Eine andere Frau, die das Gefühl hatte, ihr Leben sei erstarrt, träumte von einem kleinen Kind, das sie im Arm hatte. Das Kind war so lebendig und sein Gesicht so voller Liebe. Wenn sie sich dieses Bild einbildet, kommt sie in Berührung mit dem inneren Kind in sich, mit dem Neuen, das in ihr aufgebrochen ist. Das Kind steht für das ursprüngliche und unverfälschte Bild, das Gott sich von der Frau gemacht hat. Und es steht für die innere Erneuerung, für das frische Leben, das ihr aufblüht. Diese Lebendigkeit ist schon in der Frau. Indem sie das Bild sich einbildet, wird diese Lebendigkeit in ihr immer stärker. Und sie kommt mehr und mehr in Berührung mit dem inneren Kind. Es ist ein heilsames Bild, das mehrwirkt als alle Appelle an ihren Willen, ihr Leben neu zu ordnen.
Methoden der Imagination werden heute in vielen Bereichen angewandt. Der amerikanische Arzt Carl Simonton hat die Imagination für die
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