Die Heimkehr des Highlanders
Lebewesen zu sein. Der Ruf des Hähers klang wie eh und je und das Surren der Fliegen klang vertraut wie immer. Aber wo waren die Menschen? Lagen etwa ihre toten Leiber unter den verkohlten Steinen ihrer Burgen?
Ewan nahm den Kopf in beide Hände. Alles schien anders geworden zu sein während der Tage seiner Gefangenschaft. Was, zum Teufel, war in der Zwischenzeit geschehen?
Mittlerweile war es vollends dunkel geworden und erschöpft ließ sich Ewan in der Nähe des Waldpfades nieder. Sein Magen verkrampfte sich vor Hunger.
Da ihm auch sein sporran abgenommen worden war, in dem alle Utensilien untergebracht waren, die man zum Feuermachen brauchte, entfiel die Möglichkeit, sich ein Kaninchen zu fangen und zu braten.
Ewans Körper bebte vor Erschöpfung, als er sein Haupt auf einen moosbedeckten Platz inmitten der mächtigen, jahrhundertealten Eichen bettete.
Trotz der Strapazen des vergangenen Tages fand Ewan zunächst keinen Schlaf. Er ermahnte sich, seinen Verstand zu benützen und sich zu erinnern.
Wie viel Zeit hatte er in der Höhle verbracht?
Ruckartig riss Ewan die Augen auf. Die Höhle! Und nun erinnerte er sich auch daran, was Robin Lamont gesagt hatte. Er war in einer Höhle in den Wäldern von Barwick durch die Zeit gereist und hatte Joans Mutter ins Jahr 1732 geholt!
Konnte es sein, dass Milford und Anna Ewan ausgerechnet in dieser Höhle gefangen gehalten hatten und er in einer anderen Zeit gelandet war? Dass er die Fähigkeit hatte, durch die Zeit zu reisen, wusste er. Er war in das Erdloch gestiegen, in dem Ceana Matheson den Tod gefunden hatte. Die Sehnsucht nach Joan hatte ihn damals fast wahnsinnig gemacht. Seine Schwester hatte ihm das Erdloch gezeigt, nachdem sie ihm die hanebüchene Geschichte erzählt hatte, Joan stamme aus einem fernen Jahrhundert.
Was er auf seiner Zeitreise gesehen hatte, hatte ihm überhaupt nicht gefallen: die Menschen, die eigentümlichen Fuhrwerke, die sich ohne Pferde vorwärts bewegten und die riesigen silbernen Vögel am Himmel, von denen Joan später gesagt hatte, man würde sie Flugzeuge nennen.
Am meisten hatte Ewan der Anblick von Glenbharr Castle verstört, die stolze Burg war eine Ruine, in deren leeren Fensterhöhlen sich der Himmel widerspiegelte, der Burghof war verwildert – hier hatte seit Jahrhunderten niemand mehr gelebt.
Schwer atmend bedeckte Ewan sein Gesicht mit den Händen. Es gab keine andere Möglichkeit, er musste erneut durch die Zeit gereist sein. Das würde beweisen, warum eine andere Jahreszeit war als vor der Entführung.
»Ich muss die Höhle wiederfinden«, murmelte er und hüllte sich enger in sein Plaid.
Endlich kam der erlösende Schlaf.
Er erwachte, weil ihm die Morgensonne mitten ins Gesicht schien und er davon niesen musste. Im ersten Moment wusste Ewan nicht, wo er sich befand, doch als er schließlich die Augen aufschlug, kam die Erinnerung in aller Schmerzhaftigkeit.
Unter Stöhnen stemmte er seinen muskulösen Körper in die Höhe, das Hungergefühl war verschwunden, nicht aber der quälende Durst. Er erinnerte sich an eine kleine Quelle, die dicht bei Barwick Castle entsprang. Konnte er es wagen, noch einmal aus dem Wald zu treten, um seinen Durst zu stillen?
Schließlich musste er die Höhle so schnell wie möglich finden, koste es, was es wolle. Doch gleichzeitig spürte er, dass er nicht weit kommen würde, ausgedörrt wie er war.
Während er sich erneut auf den Weg zu dem ehemaligen Stammsitz der MacGannors machte, fasste er den Entschluss, die Stelle zu suchen, an der er Annas Hilferufe vernommen hatte. Von dort konnte es nicht mehr sehr weit bis zur Höhle sein.
Unvermittelt blieb er stehen. Und wenn eine weitere Zeitreise nicht möglich war? Robin hatte mehrmals erwähnt, dass niemand voraussagen konnte, wie lange ein Zeittunnel geöffnet war und ob er einen dorthin brachte, wo man hinwollte.
Aber das Risiko musste Ewan eingehen, war es doch die einzige Möglichkeit, in seine Welt zurückzukehren. Gedankenverloren setzte er sich wieder in Gang. Wieso war er durch die Zeit gereist? Ceana Mathesons Geist hatte keine Kraft mehr, ihre Stimme war verstummt, seitdem ihre Gebeine auf dem Friedhof von St. Cait lagen.
Bald ließ Ewan den Wald hinter sich, er wandte den Kopf ab, um nicht die traurigen Reste von Crìsdean MacGannors Burg sehen zu müssen. Wenn er sich links hielt, müsste er auf den Bach stoßen, in dem die Frauen der Burg im Sommer oft die Wäsche wuschen.
Fast hatte er den Bach erreicht, als er
Weitere Kostenlose Bücher