Die heimliche Braut
stand. “Das ist der herausgeputzte Schönling, den wir im Burghof sahen. Die Dame neben ihm ist Lady Eleanor.”
Sofort erkannte Riona den jungen Mann als den Geck wieder, der in gelbem Damast einherstolziert war. Lady Eleanor hingegen stellte sich als das hübsche Mädchen heraus, das ihr im Burghof so unglücklich erschienen war. Wie sie nun neben ihrem Cousin im Festsaal stand, wirkte sie keineswegs heiterer gestimmt. Sie trug ein Gewand aus tiefroter Seide mit Borten aus Gold, gleich dem Diadem auf ihrem dunkelbraunen Haar. Sir Percival hatte sich umgekleidet und glänzte nunmehr in einer pfauenblauen, mit strahlendem Grün gesäumten Tunika. Um seinen Hals hing eine protzige Goldkette.
Sämtliche hochwohlgeborenen Gäste trugen ähnlich üppige, farbenprächtige und kostspielige Gewänder, durchwoben von Zierrat in den schillerndsten Farben. Anzahl und Qualität der feinen Tuche waren schier Schwindel erregend. Mit dem Geld, das nur ein einziges Kleid dieser Ladys gekostet hatte, hätte Riona wahrscheinlich glatt ein halbes Jahr lang den Haushalt des Onkels ernähren können.
“Wenn du mich bitte entschuldigen willst, Riona – ich möchte Fredella meine Aufwartung machen. Sie war mir eine große Hilfe bei der Suche nach dem zuständigen Quartiermeister.”
Er wartete Rionas Zustimmung gar nicht erst ab, sondern eilte schnurstracks auf die ältere Frau zu. Da man ihn nicht zurückrufen konnte, ohne noch weitere unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen, wich Riona zur Seite des Burgsaals aus und beobachtete von dort die hochherrschaftliche Versammlung.
Direkt gegenüber schwadronierte gerade Lord Chesleigh, angetan mit einer langen schwarzen Tunika, vor einer kleinen Schar von Standesgenossen über die steigenden Weinpreise. Einer der Zuhörer, ein Bursche mit roter Säufernase, schwankte dermaßen, dass der Verdacht nahe lag, er habe wohl bereits zu tief in den Weinpokal geschaut. Am Rande eines zweiten Grüppchens stand ein jüngerer, nicht ganz so vornehm gekleideter Mann, der aussah, als sei er zwar zu schüchtern, um sich der Runde anzuschließen, andererseits aber auch nicht willens, sich abdrängen zu lassen. Eine Lady in jenem kleinen Kreis sah ihn unentwegt an, als sei sie ebenfalls unschlüssig, ob sie nun bleiben oder gehen solle.
“Was ist bloß in Sir Nicholas gefahren, dass er diesem kleinen schottischen Fettsack erlaubt, hier zu bleiben?”, tönte eine gezierte und leider zu vertraute Frauenstimme so laut und gebieterisch, dass Riona sie unmöglich überhören konnte. “Ich wollte es nicht glauben, bis mir der Burgvogt bestätigte, es stimme tatsächlich!”
Mit dem Rücken zu Riona stand Lady Joscelind, gewandet in Goldbrokat, das blonde Haar mit einem schimmernden Schleier bedeckt, inmitten eines Damenkränzchens nur wenige Fuß vom Herrentisch entfernt. Auch die Kichernde befand sich darunter, dazu eine weitere Schöne, die einen recht unpässlichen Eindruck machte, sowie eine korpulente Dritte. Letztere wirkte zwar nicht übermäßig anziehend, schien aber von der Wortführerin weniger beeindruckt als die anderen.
“Wenn das ein schottischer Ritter ist, dann tun wir den Bauerntölpeln ja einen Gefallen, indem wir ihr Land regieren!”, näselte Lord Chesleighs Tochter weiter, wobei sie ihre schlanke Hand in einer blasierten, doch vornehmen Geste hob und wieder fallen ließ. “Im Übrigen: Wer würde es an diesem Ort schon aushalten? Die Leute sind solche Banausen! Und erst das Wetter! Mein Vater erzählt, dass es hier an neunzehn von zwanzig Tagen regnet!”
Schlimm genug, dass diese eingebildete Gans sich über Onkel Fergus lustig gemacht hatte. Wollte sie jetzt etwa auch noch über die schottische Heimat herziehen? Den Blick zornentbrannt auf die Liebreizende gerichtet, marschierte Riona energisch auf das Grüppchen zu.
“Aber wenn Sir Nicholas Euch erkürt, werdet Ihr wohl oder übel in Schottland leben müssen”, piepste die leidend aussehende Jungfer, die ebenfalls nicht ahnte, dass Riona sich von hinten näherte.
Die anderen hingegen erblickten sie sehr wohl, und wäre Lady Joscelind nicht so entschlossen gewesen, aller Welt ihre Ansichten auf die Nase zu binden, hätte sie merken müssen, dass Gefahr im Verzug war.
“Ach, einen Teil des Jahres nur”, winkte sie selbstzufrieden und arglos ab. “Den Großteil der Zeit werden wir bei Hofe zubringen.”
“So bleibt getrost in England!”, fauchte Riona, die hinter der Lady stehen blieb. “Wir wollen Euch hier
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