Die heimliche Braut
sind!”
Rionas Blick schweifte zurück zu dem Mann auf dem Podium.
Hat er es etwa deshalb gemacht?
“Ich hätte Euch aufklären müssen”, gestand Sir Nicholas ohne Zögern. “Aber ich war nicht entsprechend gekleidet, um meine edlen Gäste zu empfangen. Und der Bitte einer so anmutigen und schönen jungen Dame mochte ich mich nicht widersetzen.”
Riona wunderte sich darüber, dass Joscelind sich nicht Hilfe suchend an den Arm ihres Vaters klammern musste, als der Burgherr sie in jener tiefen, verführerischen Stimme ansprach.
Was Sir Nicholas’ Ausrede anging, so hielt es Riona mit der Erklärung ihres Onkels. Sie hatte den Verdacht, dass einer wie der Burgherr sich nur von wenigen Dingen in Verlegenheit bringen ließ. Und dazu, so ihre Überzeugung, zählte seine Kleidung auf keinen Fall.
Da nun offenbar alles vergeben und vergessen war, ließ sich Lord Chesleigh zu einem wohlgefälligen Lächeln herab. “Gleichwohl, Mylord, müsst Ihr meine Entschuldigung annehmen, sollte ich Euch unbeabsichtigt gekränkt haben.”
Die folgenden und ohne ehrliche Zerknirschung gesprochenen Worte von Sir Nicholas bestärkten Riona in ihrer Meinung, dass es in der Tat ein anderes Motiv für sein Verhalten geben musste. “So wie Ihr Eurerseits die meine dafür, dass ich mich nicht vorstellte.”
Lord Chesleigh strahlte übers ganze Gesicht, fasste dann seine Tochter bei der Hand und zog sie nach vorn. “Darf ich Euch meine Tochter Joscelind vorstellen?”
Sie machte einen tiefen Knicks und präsentierte sich, als sie sich aufrichtete, auf liebreizende Weise verlegen. “Auch ich muss um Vergebung nachsuchen, Mylord.”
“Ich bitte Euch, denkt nicht weiter daran! Fühlt Euch für die Dauer Eures Aufenthaltes auf Dunkeathe einfach wie zu Hause.”
Dass ein Mann allein mit seiner Stimme eine Frau schwindlig machen kann …
“Und ein herrliches Schloss besitzt Ihr da”, schmeichelte Lord Chesleigh. “Meine Hochachtung!”
Sir Nicholas bedachte ihn abermals mit einem angedeuteten Lächeln und einer knappen Verbeugung. “Habt Dank!” Danach blickte er seinen Verwalter an. Lord Chesleigh und seine Tochter verstanden den Wink und zogen sich zurück.
Nachdem er sich umgeschaut und vergewissert hatte, dass keine weiteren Ladys mehr darauf warteten, vorgestellt zu werden, trat Fergus vor. “Vorwärts, Riona! Nun ist die Reihe an uns!”
Sie verspürte wenig Neigung zu einer Parade vor aller Augen, nur um dem Burgherrn präsentiert zu werden wie ein Fisch auf einem Tablett. Unglücklicherweise war aber ihr Onkel schon vorausgeeilt, so dass ihr nichts anderes übrig blieb, als ihm zu folgen – sonst hätte er sie womöglich noch lauthals zur Eile aufgefordert. Während sie zu ihm aufschloss, mahnte sie sich, dass sie zwar weder Reichtum noch feines Tuch oder Schönheit vorzuweisen hatte, dafür aber vieles, auf das man stolz sein konnte. Sie wurde von Onkel und Cousin geliebt, war von ebenso edler Herkunft wie alle anderen Anwesenden auch und konnte einen erheblichen Vorteil ins Feld führen, an welchem es den anderen mangelte.
Sie war Schottin.
“Fergus Mac Gordon, Thane of Glencleith”, verkündete der Burgvogt. “Sowie Lady Riona, seine Nichte.”
“Ach, wir hatten ja bereits das Vergnügen!”, rief Fergus und grinste den Hausherrn an, als wären sie die dicksten Freunde.
Sie sind sich also doch begegnet! Warum hat er mir das verheimlicht?
Als ihr Onkel sie augenzwinkernd ansah, hatte Riona ihre Antwort. Er hatte geglaubt, er würde ihr helfen, indem er diese Überraschung für sich behielt!
Ungeachtet seiner gutherzigen Beweggründe hätte sie am liebsten vor Entsetzen aufgestöhnt, besonders da Sir Nicholas keine Miene verzog und abfälliges Geraune sowie anzügliches Gekicher an ihr Ohr drangen.
“Als wollte irgendjemand so eine heiraten!”, spottete Lord Chesleigh, der hinter ihr stand.
Seine verächtliche Bemerkung entfachte ihren Stolz und erregte ihren Zorn. Was bildete dieser Lord sich ein, derart hochmütig daherzuschwafeln? All diese Männer hier und ihre stummen Angehörigen – sie krochen doch vor diesem Burgherrn wie Bettler zu Kreuze!
Denen werde ich zeigen, aus welchem Holze wir Schotten geschnitzt sind!
Sie würde ihnen beweisen, dass sie mit allen Versammelten gleichrangig war, dem Gastgeber eingeschlossen. Es war ihr einerlei, was man von ihr hielt! Das galt auch für diesen Sir Nicholas mit seiner grimmigen Miene und seiner anmaßenden Art der Brautsuche!
Daher bedachte sie
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