Die heimliche Braut
Katze geträumt hatte, denn abermals verhielt er sich beinahe regungslos, aufmerksam und andächtig, während der ältliche Burgkaplan die Gemeinde durch die Frühmesse führte.
Onkel Fergus stupste seine Nichte in die Seite. “Da vorn ist Fredella”, flüsterte er ihr zu.
Erschrocken und doch heilfroh, dass ihre abschweifenden Grübeleien unterbrochen wurden, folgte Riona seinem Blick. Fredella stand zur Linken von Lady Eleanor, die in einem Gewand aus hellblauer, golddurchwirkter Atlasseide so frisch wie eine Frühlingsblüte wirkte. Begleitet wurde sie von ihrem Cousin.
Fredella blickte über die Schulter und lächelte errötend, als sie Fergus sah, der die Hand hob und wie zu einem schüchternen Gruß mit den Fingern wedelte – ganz so, als wären die beiden zwei junge Leute und nicht Erwachsene reiferen Alters. Um ihr Schmunzeln zu verbergen, schaute Riona zu Boden, und in dem Moment ging die heilige Messe auch schon zu Ende. Über zehn Jahre waren seit dem Tode von Fergus’ Gemahlin ins Land gegangen. Er hatte lange um sie getrauert, genauso wie alle, welche die gütige, sanfte Muireall gekannt hatten. Dass er noch einmal sein Glück versuchte, konnte Riona ihm daher nicht verübeln. Das galt nach ihrer Überzeugung gleichermaßen für Kenneth, namentlich dann, wenn der den Eindruck gewann, die neue Gattin des Vaters werde Fergus’ übertrieben großzügige Gastlichkeit ein wenig eindämmen.
“Gott sei Dank, dass Schluss ist!”, knurrte Sir George so vernehmlich, dass sämtliche Umstehenden es hörten. “Ich bin dem Verdursten nahe.”
Lady Eloise, die neben ihm stand, warf ihm einen warnenden Blick zu.
“Fredella bat mich gestern Abend, ich solle heute nach der Frühmesse auf sie warten”, raunte Fergus seiner Nichte zu. “Sie will uns Eleanor vorstellen, falls sie sie von diesem Percival loseisen kann. Komm, wir stellen uns hinter den Pfeiler, damit der eitle Kerl uns nicht sieht!”
Gerade wollten sie los, als Sir Nicholas den Mittelgang hinunter auf die Pforte zustrebte, an einem Arm die Schwester des Herzogs von Ansley, am anderen Lady Joscelind, gefolgt von den männlichen Anverwandten der Damen sowie von seinem Burgverwalter. Dass den Schönen dieses Arrangement nicht eben zusagte, lag auf der Hand. Dennoch ließ sich keine ihr Unbehagen anmerken, waren doch beide nach außen hin zu höflich und nach innen zu sehr darauf erpicht, sich auch in Zukunft seiner Gunst zu versichern.
Plötzlich sah Sir Nicholas Riona an.
Heilige Maria Muttergottes!
Ihr war, als sei seit dem Vorabend überhaupt keine Zeit vergangen. Als wäre er nach wie vor mit ihr im Garten allein, als locke er sie mit seiner Stimme und seinen Augen und seinem unglaublich sinnlichen Kuss!
Zu ihrem Leidwesen näherte er sich gemächlich, die beiden anderen Damen freilich weiterhin am Arm. “Guten Morgen, Mylady und Mac Gordon”, begrüßte er sie. “Ich wünsche wohl geruht zu haben.”
Bildet er sich etwa ein, ich würde erröten und stammelnd den Blick abwenden?
Gegen das Erröten war zwar kein Kraut gewachsen, doch zeigte es nicht etwa Verlegenheit, sondern ihren hitzigen Zorn. “Das habe ich”, log sie und blickte den Mann, der sie im Garten geküsst hatte, unerschrocken an. “Und Ihr, Mylord?”
“Nicht sonderlich gut”, gab er zurück. “In diesen Tagen gibt es auf Dunkeathe zu viel Ablenkungen.” Er lächelte den beiden Holden an seinen Armen zu und richtete sein Augenmerk erneut auf Riona.
“Möglicherweise kann Euch ein Apotheker ein Schlafmittel empfehlen”, befand sie.
“Genau!”, rief Fergus dazwischen. “Das ist die Lösung. Ich kenne eins.” Er zauste sich grübelnd den Bart. “Na ja, von früher!” Grinsend hob er die Schultern. “Wenn ich’s mir aber recht überlege – schmeckte wie ausgelatschte Stiefel, das Zeug.”
Sir Nicholas lächelte, obgleich seine Augen keinerlei Wärme oder Freude verrieten. “Dann verzichte ich lieber darauf.”
Die beiden Damen an seinen Armen wanden sich voller Ungeduld, worauf Sir Nicholas zum Abschied den Kopf neigte und sie aus der Kapelle geleitete.
“Ist er nicht ein Bild von einem Mann?”, verkündete Onkel Fergus leutselig, während sie dem Burgherrn nachsahen. “Obendrein mit tadellosen Manieren! Und du gefällst ihm, Riona. Das ist sonnenklar.”
Aber wieso? dachte Riona missmutig. Warum schenkte Sir Nicholas ihr überhaupt Aufmerksamkeit? Falls er lediglich auf ein Abenteuer aus war, kam das wohl kaum einer Empfehlung gleich.
“Da
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