Die heimliche Braut
steckt eigentlich Fredella?” Onkel Fergus blickte sich um, als vermute er, sie habe sich irgendwo in einem Küchenwinkel verkrochen.
“Vermutlich ist sie längst zu Bett gegangen”, erwiderte Riona in der Hoffnung, der Hinweis werde ihn dazu bringen, sich ebenfalls zurückzuziehen.
“Frinella?”, lallte Roban unter schläfrigem Grinsen. “Wer soll denn das sein?”
“Ein wunderbares Weibsbild! Entzückend”, Onkel Fergus zwinkerte ihm zu. “Aber zu alt für ‘nen grünen Bengel wie dich. Die braucht ‘nen gestandenen Kerl.”
Während Fergus über seinen eigenen Scherz vor Lachen brüllte, stemmte sein Kumpan sich schwankend hoch. “Will doch mal schauen, was Adair noch im Schilde führt.” Kaum dass er stand, ließ er sich gleich wieder auf die Bank sinken, spreizte die Ellbogen über den Tisch, bettete den Kopf auf die verschränkten Arme und begann alsbald vernehmlich zu schnarchen.
Onkel Fergus stupste ihn kräftig in die Seite, doch der Schlafende bewegte sich nicht und ließ sich auch nicht beim Schnarchen stören. “Donner und Doria, diese jungen Spunde heutzutage! Vertragen alle nichts mehr!”
“Wenn er so müde ist”, wandte Riona ein, “dann muss es doch schon spät sein!”
“Vielleicht hast du recht”, räumte Fergus endlich ein.
Riona schickte ein Stoßgebet gen Himmel, während ihr Onkel sich mit großer Mühe aufrappelte. Sofort eilte sie ihm zu Hilfe und bot ihm die stützende Schulter. “Komm, ich bringe dich in deine Kammer, Onkel!”
Zum Glück erhob er keinen Protest!
“Über den Burghof!”, befahl sie. “Das geht schneller.”
Da ihre Unterkunft sich so weit vom Saal entfernt befand, war der Weg quer über den Hof tatsächlich kürzer. Ließen sich auf diese Weise auch noch das höhnische Getuschel und die hämischen Mienen der Normannen umgehen, dann umso besser!
“Hab ich dir eigentlich erzählt, wie ich mal auf Wildschweinjagd war?”, fragte Onkel Fergus, als sie den Burghof überquerten. Gnädigerweise war der Himmel klar, der Mond hell und der Boden trocken. “Und wie der Hund so verrückt wurde? Und wie da auf einmal ein Loch in meinem Stiefel war, wo der Köter zugebissen hatte? Und wie die Wildsau geradewegs auf den Jungen zupreschte …”
“Ja, Onkel, die Geschichte ist mir bekannt. Zur Genüge!”, fauchte sie gepresst, bemüht, nicht allzu genervt zu klingen, denn in der Tat konnte sie diese Anekdote auswendig hersagen. Wie ihr Onkel einst einen Clan im Norden besucht hatte, wie das Wetter perfekt gewesen war, bis sich ein Gewitter zusammenbraute, wie Onkel Fergus und der “Bengel” einen völlig unvorbereiteten und kein bisschen abgerichteten jungen Jagdhund zu ihrem Ausflug mitgenommen hatten und wie der dann dem Onkel in den Fuß gebissen und ein Loch im Stiefel hinterlassen hatte. “Und brandneue dazu, erst am Vortag gekauft!” Und weiter ging es mit dem Ausziehen des Schuhs, mit dem Angriff der Wildsau, die augenrollend und mit Schaum vor der Schnauze frontal auf den “Bengel” losgaloppierte. Kurz entschlossen hatte Onkel Fergus den Schuh beiseite geworfen, den Dolch gezogen, ihn wie ein Wurfmesser geschleudert und das Borstenvieh auf der Stelle erlegt.
Nachdem sie die Wachen am Eingang zur Unterkunft passiert hatten, stiegen sie mühsam die Treppe hinauf, der Onkel dermaßen unsicher auf den Beinen, dass es nur langsam voranging. Nach und nach aber erreichten sie seine Kammer.
“So, da wären wir”, sagte Riona, stieß die Tür mit der Schulter auf und half ihm in sein Zimmer.
“Hab Dank, meine Schöne”, schnaufte er, wobei er sich schwer auf die Liegestatt fallen ließ. “Nun geh und leg dich auch aufs Ohr!” Er drehte sich auf die Seite und war im nächsten Moment tief und fest eingeschlafen.
Erschöpft seufzend, zerrte Riona ihm die Stiefel von den Füßen und deckte ihn mit dem Trachtenumhang zu, den er normalerweise über der Schulter trug. Dann gab sie ihm einen Gutenachtkuss auf die Wange, ging hinaus und schloss leise die Tür hinter sich. Endlich war dieser lange, nervenaufreibende, verwirrende Tag so gut wie vorüber!
“Ist er wohlauf?”
Sie schreckte zusammen. Mit rasendem Herzen vernahm sie hinter sich den Klang der vertrauten tiefen Stimme.
Was sucht der Burgherr bloß hier? fragte sie sich, als sie sich zu ihm umwandte. Ganz in der Nähe flackerte eine in einer Wandhalterung steckende Fackel im sanften Luftzug, der durch die schmalen Fensteröffnungen strich. Der zuckende Schein fiel zwar auf sein
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