Die heimliche Gemahlin
bekomme.“
„Himmel, Daniel!“ Die weißen Locken der Perücke wippten hin und her. „Bisher haben dich solche Kinkerlitzchen noch nie davon abgehalten, eine Frau zu erobern. Du hast es doch stets verstanden, auch die widerspenstigsten Weibsbilder mit ein paar Schmeicheleien zu zähmen.“ „Nein, nein, die Dame ist bei weitem zu vornehm für mich. Und dessen ist sie sich auch nur allzu bewusst!“ Genau deshalb war es auch am besten, wenn er diese ganze Angelegenheit mit Juliet so schnell wie möglich regelte. Andernfalls verfiel er noch auf den Gedanken, Helena wirklich zähmen zu wollen. „Hör mal, Clancy“, sagte er daher eilig, „wenn meine alten Freunde London besuchen, wohnen sie doch oft bei dir. Ist in den letzten Tagen irgendjemand hier gewesen, der dir eigenartig oder unbekannt vorkam?“
„Inwiefern?“
„Befand sich einer vielleicht in Begleitung einer jungen Frau?“
Clancy schüttelte den Kopf. „Dafür ist es hier ein bisschen zu beengt. Wenn einer der Herren mit einer ... Freundin zusammen übernachten will, mieten sie ein Zimmer bei Blackman. Der hat mehr Platz.“
Erleichtert seufzte Daniel. „Stimmt.“
„Halt! Das hätte ich fast vergessen! Vor ein paar Tagen fragte mich tatsächlich ein Mann nach dem Zimmer. Musste ihn aber wegschicken, weil es schon vergeben war. Deshalb bin ich jetzt auch nicht sofort darauf gekommen.“ Gespannt richtete Daniel sich auf. „Hatte er eine Frau bei sich?“
Der Ire nickte. „Hübsches kleines Ding. Blond, fein angezogen und blutjung, sage ich dir. Allerdings sah der Mann auch aus wie ein Gentleman.“
„Also nicht wie ein Schmuggler?“
„Doch, doch, der gehörte dazu. Aber eben ein Schmuggler mit den Manieren eines Gentlemans. Schon sonderbar. Behauptete, Jolly Roger hätte ihm von mir und dem Zimmer erzählt.“
Jolly Roger Crouch! Verdammt, dachte Daniel. „Arbeitete dieser Mann für Crouch?“
„Glaub ich nicht“, antwortete Clancy.
Das waren keine guten Nachrichten. Dennoch versuchte Daniel, sich zu beruhigen. Also war Morgan wirklich ein Schmuggler, der noch dazu Crouch kannte. Na wenn schon! Viele dieser ehrenwerten Herren gingen bei Tage einem durchaus anständigen Beruf nach. Himmel, es gab sogar Pastoren, die von Zeit zu Zeit schmuggelten! Das machte Morgan noch lange nicht zu einem Unmenschen! „Was war mit dem Mädchen?“ fragte er weiter. „Hat der Mann erwähnt, wer sie ist?“
„Ja. War angeblich seine Verlobte. Die beiden wollten heiraten. Hat sie behandelt, als wär sie aus Glas. Ich durfte ihr nicht nahe kommen, als ob ich ihr was tun würde“, meinte der Wirt.
Daniel fiel ein Stein vom Herzen bei diesen Worten. „Hat er dir seinen Namen genannt?“
„Wie hieß er doch gleich?“ Der Freund schob die Perücke zurück und kratzte sich an der Stirn. „Mr. ... Mr. ... Ich glaub, sein Name war Pryce.“
„Nicht Morgan?“
Laut schlug Clancy die Hand auf den Tresen. „Morgan Pryce. Das war’s haargenau!“
„Bist du ganz sicher, dass Morgan der Vorname des Mannes war?“ fragte Daniel, den eine böse Vorahnung beschlich. Weshalb hatte der Kerl einen falschen Namen benutzt?
„Absolut. Morgan Pryce. Ich erinnere mich so genau, weil der Name in Wales so häufig vorkommt.“
Daniel zog Helenas Skizze aus der Tasche. Das Blatt war inzwischen fleckig und ganz zerdrückt. Zusammen mit der Miniatur, die Juliet zeigte, legte er sie auf den Tresen. „Sind das die beiden?“
Misstrauisch runzelte Clancy die Stirn. Dann schob er die Kerze näher an die Bilder heran und betrachtete sie aufmerksam. „Ja, wenn ich mich nicht irre, sind das die beiden.“ Fragend schaute er Daniel an. „Was soll das alles eigentlich?“
„Nichts, nichts“, versicherte der eilig mit Rücksicht auf Helena. „Denk bitte daran, falls irgendjemand anderes hier herkommt und nach ihnen fragt.“
„Ganz wie du willst.“ Doch offensichtlich war Clancys Neugier geweckt.
Als hätte er dies nicht bemerkt, steckte Daniel die Bilder wieder in die Rocktasche. Die ganze Angelegenheit wurde immer rätselhafter. Ein Schmuggler, der unter falschem Namen reiste. Vielleicht wollte der Kerl ja nur sicherstellen, dass man ihm nicht so leicht folgen konnte. Und dennoch ...
Daniel fand das alles beunruhigend. Und dann kannte dieser Pryce auch noch Crouch! Was das wohl zu bedeuten haben mochte?
Möglicherweise überhaupt nichts. Er selbst hatte Crouch vor Jahren zum letzten Mal gesehen. Zweifellos nur ein dummer Zufall.
Trotzdem konnte er
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