Die heimliche Gemahlin
abgeben.“
„Ich sorge mich allein um Juliet“, versicherte sie.
Er ging um den Tisch herum und sah finster auf sie hinab. Wie stets, versetzte allein seine Größe sie in Anspannung. Sie fürchtete keinen Mann, aber Mr. Brennan war nicht irgendein Mann. Obwohl sie selbst groß für eine Frau war, reichte ihre Nasenspitze ihm gerade bis zur Schulter ... und ein einziger Schlag seiner starken Arme hätte sie zu Boden schleudern können.
Er war ihr jetzt so nahe, dass sein warmer Atem ihr über die Wange strich. „Helena, weshalb vertrauen Sie mir so wenig?“ fragte er sanft. Bisher hatte er sie noch nie nur beim Vornamen genannt. Eine schockierend intime Anrede ... die ihr Herz dennoch schneller schlagen ließ. „Ich werde Juliet wohlbehalten zurückbringen. Sie müssen wirklich nicht mitkommen.“
„Aber ich weiß, wie der Kerl aussieht. Meine Skizze ähnelt ihm kaum ...“
„Ich bin durchaus in der Lage, Ihre Schwester wiederzuerkennen“, unterbrach er sie. „Das dürfte ausreichen.“
Sie verlegte sich auf einen offenen Angriff. „Was könnte dagegen sprechen, mich mitzunehmen? Abgesehen von den fadenscheinigen Ausreden, die Sie mir eben nannten?“ „Fadenscheinig?“ Leise fluchend trat er einen Schritt zurück. „Ich sorge mich um Ihre Sicherheit! Pryce ist möglicherweise ein Schmuggler. Haben Sie diesen Umstand bereits wieder vergessen? Ich werde manch dunkle Kaschemme aufsuchen müssen, um nach den beiden zu fragen. An solchen Orten sollten Sie nicht gesehen werden.“
„Ich muss ja nicht überall mit Ihnen hineingehen“, entgegnete sie.
„Richtig. Deshalb bleiben Sie ja auch in London, wo Sie hingehören.“
„Das, Mr. Brennan, haben Sie nicht zu entscheiden. Obwohl ich Ihre Hilfe gern in Anspruch nähme, wird dies nicht möglich sein, wenn Sie mich hier zurücklassen wollen. Ich bin den beiden bis hierher gefolgt und werde sie auch jetzt aufspüren können.“ Sie streckte ihm die Hand hin. „Falls Sie mir also nun bitte die Skizze und die Miniatur zurückgeben und mich freundlicherweise darüber unterrichten würden, wohin die beiden sich gewandt haben ...“
„Zum Teufel, Sie verdammtes Frauenzimmer! Was wollen Sie denn unternehmen, wenn Sie die beiden tatsächlich finden? Pryce einen Ihrer besonders arroganten Blicke schenken und ihm einfach befehlen, Juliet augenblicklich herauszugeben? Ihm mit ewig währender Verachtung drohen? Derlei mag Mitglieder der Adelsschicht ja erzittern lassen, aber in meiner Welt ist es lächerlich! Wer sich dort hochnäsig benimmt, findet sich schnell unsanft auf dem eleganten Hintern wieder. “
Diese Frechheiten überging sie. „Ich muss Juliet eben davon überzeugen, welch schlimmen Fehler sie begangen hat. Und falls das nicht hilft ... hole ich den Konstabler. Oder besteche Pryce.“ Als Brennan nur den Kopf schüttelte, fuhr sie wütend fort: „Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde diesen Schuft aufhalten!“ Am liebsten würde sie diesen Pryce entmannen, aber das verboten gleich eine ganze Reihe von Mrs. Nunleys Benimmregeln. Außerdem hatte Helena keine Ahnung, wie dies zu bewerkstelligen sei. „Ich werde die beiden weiter verfolgen - mit Ihnen oder ohne Sie.“ „Und was ist mit Ihrem Ruf?“ fragte er heftig.
Erstaunt hob sie den Kopf. „Was soll damit sein?“
„Wenn Sie allein mit mir durch England kutschieren, ist er endgültig ruiniert. So ein Benehmen steht einer Dame nicht an, und das wissen Sie nur zu gut.“
„Und eine Zofe mitzunehmen dürfte wohl unmöglich sein?“
„Ja, verdammt!“ schrie er. „Schlimm genug, unter diesen Umständen eine Frau am Hals zu haben! Von zweien ganz zu schweigen!“
„Es war nur eine Frage“, erklärte sie beleidigt. Als ihm daraufhin die Zornesröte ins Gesicht stieg, sagte sie schnell: „Mir ist mein Ruf ganz gleich.“ Sie hob den Gehstock und deutete auf Brennan. „Und seit wann haben Sie sich eigentlich in einen Anstandswauwau verwandelt? Ein Mann, der seine Besucher halb nackt empfängt, sollte keine Vorlesungen über gutes Benehmen halten. “
„Eine Frau, die mit diesem Mann allein auf Reisen gehen will, sollte ebenfalls nicht über Anstandsregeln dozieren“, entgegnete er.
„Unter den gegebenen Umständen bleibt mir keine andere Wahl. Außerdem muss ja niemand wissen, dass wir zusammen unterwegs sind.“
Er guckte sie an, als hätte sie nun endgültig den Verstand verloren. „Haben Sie die Gasthäuser vergessen, die wir besuchen müssen? Die Poststationen?
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