Die heimliche Gemahlin
Selbst auf der Landstraße wird man uns sehen! Glauben Sie nicht, es wird den Leuten komisch Vorkommen, dass eine feine Dame mit einem Kerl meiner Herkunft in einer Kutsche sitzt? Himmel, diese Tatsache wird sich überall schnellstens herumsprechen.“
Daran hatte sie tatsächlich nicht gedacht. „Dann ... denken wir uns eben irgendeine Geschichte aus. Wir behaupten einfach, Sie wären mein Bruder.“
Er lachte verächtlich. „Wunderbar! Das wird man uns bestimmt abnehmen! Wir sind ja fast Zwillinge, nicht wahr? Genauso gut könnten wir gleich verkünden, ich sei Ihr Liebhaber. Das wird dann nämlich ohnehin jeder denken.“
Liebhaber! Bei allen Göttern! Rasch senkte sie den Kopf, damit Daniel nicht bemerkte, wie sie errötete. „Sie könnten auch so tun ... als wären Sie mein Diener.“
„Das könnte Ihnen so passen“, erwiderte er barsch. „Mich herunterzuputzen, wann immer Ihnen der Sinn danach steht. Aber da spiele ich nicht mit. Also vergessen Sie’s!“
„Ich wollte damit nicht ...“
„Es gibt nur eine Lüge, die man uns eventuell abnimmt. Ich sage eventuell, weil sie eigentlich kaum weniger lächerlich ist als die anderen. Sie könnten meine Gemahlin spielen.“
Sie hob den Kopf und schaute ihn an. Scherzte er? Allein bei der Vorstellung bekam sie weiche Knie. „Inwiefern wäre das glaubwürdiger als die Behauptung, Geschwister zu sein?“
Er zuckte die Schultern. „Es kommt vor, dass ein Mann über seinem Stand heiratet. Deshalb ist Pryce ja mit Ihrer Schwester geflohen.“
„Absurd.“ Dennoch musste sie ihm Recht geben. War das etwa ein Ausdruck der Selbstzufriedenheit, der da über sein Gesicht huschte?
Übertrieben laut seufzte er, als er nun zurück zum Schreibtisch ging und Sachen in eine Ledertasche packte. „Gut, dann ist da also nichts zu machen. Sie werden hier in London bleiben müssen. Falls Sie ohne Anstandsdame mit mir kämen, wäre Ihr Ruf für immer ruiniert. Und wir beide sind uns darüber einig, dass Sie nicht meine Gemahlin spielen können. Wie schade.“
„Ich habe nicht gesagt, es wäre unmöglich“, stellte sie eilig klar. „Oder gar, dass ich es nicht tun werde.“
„Sie würden sich tatsächlich als meine Gattin ausgeben? Ein Zimmer mit mir teilen? Andernfalls lasse ich Sie nämlich hier.“ Prüfend musterte er sie. „Ich will nicht daran schuld sein, wenn Sie Ihr ganzes Leben wegwerfen.“
Also machte er sich doch über sie lustig! Ein Zimmer mit ihm teilen - ha! Dabei konnte er sie nicht einmal ausstehen. Er wollte sie nur ins Bockshorn jagen, der Kerl! Herausfordernd legte sie den Kopf zurück. „Wenn es sein muss -durchaus!“
„Den Teufel werden Sie!“ schrie er und fuhr sich verzweifelt durchs Haar, so dass die blonden Locken noch wilder als zuvor saßen. „Ich habe niemals eine so starrsinnige Frau getroffen!“
„Sie können mich nicht davon abbringen. Mir sind die Gefahren vollkommen egal. Mich interessiert auch nicht, ob Sie mich mögen oder ob man schlecht über mich spricht. Meine ganze Sorge gilt allein Juliet.“ Ihr zitterten die Hände. Dennoch sprach sie mutig weiter: „Haben Sie mich verstanden? Wenn Sie sie finden - falls Sie sie finden, werden Sie mich brauchen. Jemand muss Juliet überzeugen, diesen Schuft zu verlassen. Auf Sie wird meine Schwester kaum hören. Außerdem kann ich ... unmöglich hier herumsitzen und abwarten, was passiert. Ich muss etwas unternehmen.“ Weil er nach dieser Ansprache ein wenig freundlicher dreinblickte, fügte sie hinzu: „Darüber hinaus kann ich Sie bestimmt unterstützen. Das ein oder andere Mal wird uns meine gesellschaftliche Stellung und die Tatsache, dass ich eine Frau bin, bestimmt nützen. Wir werden bessere Zimmer bekommen, und ich kann für Ihr Wohlergehen sorgen, während Sie Nachforschungen anstellen ...“
„Genug, Madam. Für mein Wohlergehen brauche ich Sie gewiss nicht.“ Widerstreitende Gefühle spiegelten sich auf seinem Gesicht, als er den Blick über Helena schweifen ließ. Wut mischte sich mit etwas Unbestimmbarem ... Dunklem und Gefährlichem. Erneut seufzte er. „Ich lasse Sie nur mitkommen, wenn wir uns auf einige Bedingungen einigen. Verstehen Sie? Sie müssen in allem rückhaltlos zustimmen, bevor ich auch nur darüber nachdenke, Sie mitreisen zu lassen.“
„Selbstverständlich“, versicherte sie hoffnungsvoll. „Was immer Sie wollen!“
„Nur nicht so voreilig. Nichts davon wird Ihnen sonderlich Zusagen.“ Er verschränkte die Arme vor der kräftigen
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