Die heimliche Gemahlin
Hut und Mantel reichte. „Knighton muss ein furchtbarer Tölpel sein, andernfalls hätte er Sie niemals ziehen lassen. Doch sein Verlust zahlt sich für mich aus, stimmt’s, alter Knabe?“
„Prüfen Sie aber noch einmal das zweite Angebot“, antwortete Brennan knapp. „Ich verspreche Ihnen eine Verdreifachung der angelegten Summe, wenn Sie in den Waliser Kohlebergbau investieren, Euer Gnaden.“
Ein Duke ? Liebe Güte! Und Brennan redete mit ihm, als wären sie einander ebenbürtig. Er musste wirklich ein selten begnadeter Finanzberater sein!
„Keine Sorge“, antwortete der Herzog. „Ich werde alles genau studieren. Schließlich habe ich ja beobachten dürfen, wie Ihre Ratschläge Dryden und Blackmore reich gemacht haben. Bis Sie von Ihrer Reise zurück sind, werde ich mich entschieden haben.“
Reise? Angespannt musterte sie Brennan. Als sein Blick den ihren kreuzte, wusste sie plötzlich Bescheid. Juliet und Morgan waren nicht mehr in London.
Die beiden Herren führten ihre Unterhaltung weiter, doch Helena hörte nicht mehr zu. Wie versteinert saß sie da. Wollte der Gentleman nicht endlich gehen? Am liebsten hätte sie ihn zur Tür hinausgeschoben! Was sollte nun werden? Plante Brennan, das flüchtige Paar zu verfolgen? Obwohl er ihr anfänglich erst gar nicht hatte helfen wollen?
Sie war so vollkommen in Gedanken versunken, dass sie kaum wahrnahm, wie der Duke sich verabschiedete. Brennan begleitete ihn nach draußen und kehrte gleich darauf zu ihr zurück. Sie hatte sich inzwischen erhoben.
„Verzeihen Sie, dass ich Sie warten ließ, Mylady.“ Er bot ihr den Arm. „Lassen Sie uns in mein Büro gehen.“ „Danke.“ Himmel, war er heute freundlich. Sollte er gar etwas Schreckliches herausgefunden haben, auf das er sie nun möglichst schonend vorbereiten wollte?
„Warten Sie schon lange?“ fragte er höflich, während er sie hinübergeleitete.
„Einen vollen Tag, wie Sie sich erinnern werden“, antwortete sie spitz. „Aber selbstverständlich ist der Auftrag eines Duke weit wichtiger als meine unbedeutende kleine Schwester ...“
Er räusperte sich und warf dem Sekretär einen beschwörenden Blick zu. Lieber Gott, wenn diese Frau sich doch nur beherrschen könnte. Wie indiskret von ihr!
Honig, ermahnte sie sich alldieweil im Stillen, süß wie Honig! Mit etwas Mühe gelang es ihr, ein Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern. „Sie haben eine ausgezeichnete Geschäftsadresse“, verkündete sie. „Und das Kontor ist sehr geschmackvoll eingerichtet.“
„Das ist nicht mein Verdienst. Mrs. Knighton hat dafür Sorge getragen.“
„Rosalind?“ fragte sie ungläubig. Ihre Schwester besaß viele gute Eigenschaften - guter Geschmack zählte nicht dazu.
„Teufel, nein!“ rief er. „Ich sprach von Griffiths Mutter.“ „Ja, natürlich.“ Selbstverständlich. So musste es sein.
Andernfalls wären die Wände mit violetter Seide bespannt gewesen, und goldene Troddeln hätten die Vorhängen geziert. Sie kannte Rosalind.
„Wo wir gerade von Griffiths Mutter sprechen“, sagte er. „Weilt sie noch bei Ihrem Vater auf Swan Park?“ „Glücklicherweise ja. Sie kann ihm nun Gesellschaft leisten, da ich hier in London bin.“
Hierzu schwieg er klug.
Er führte sie in ein voll gestelltes Büro, in dem sich Bücher und Zeitungen stapelten. Sie schaute sich um. Ja, das entsprach weit mehr ihren Erwartungen. Papiere und Unterlagen waren über den ganzen Schreibtisch verstreut: ausgeschnittene Artikel, Briefe, Geldanweisungen und Rechnungen. Alles war bekritzelt, Absätze waren eingekreist, Anmerkungen am Rand notiert. Auf einem der Stapel stand ein merkwürdiges Gebilde, das hauptsächlich aus auf Stäbe gezogenen Perlen bestand.
„Ein Abakus“, erklärte er, als er ihren überraschten Blick bemerkte. „Ein Geschäftspartner von Griffith brachte mir bei, wie man ihn für schwierige Rechenexempel benutzt.“ Als sie geistesabwesend nickte, fügte er hinzu: „Lassen wir das. Sie sind heute nicht hierher gekommen, um von mir in die Welt der Hochfinanz eingeführt zu werden. Nehmen Sie doch bitte Platz. Wir haben einiges zu besprechen.“
Fast war ihr, als setzte ihr Herz einige Schläge aus. „Weshalb? Wo sind die beiden? Haben Sie sie gefunden?“ Seufzend trat er hinter den Schreibtisch. „Leider nein, denn sie befinden sich nicht mehr in London.“
Obwohl sie eigentlich schon damit gerechnet hatte, traf sie diese Mitteilung doch wie ein Schlag. Sie hatte so sehr gehofft, die
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