Die heimliche Gemahlin
einigen Augenblicken wandte sie den Kopf ab und sagte: „Sie mögen es nicht für möglich halten, aber er war weit klüger als alle, die nach ihm kamen. Wenigstens besaß er genug Verstand, wenigstens so zu tun, als ob ich ihm etwas bedeutete. Er wurde nicht müde, mir blumige Komplimente zu machen, und behandelte mich stets mit wärmster Höflichkeit.“ Ihre Stimme zitterte. „Bei den Herren nach ihm war ich dann stets vorsichtig. Wegen meines lahmen Beins und der kleinen Mitgift überschlugen sie sich auch nicht eben bei ihren Annäherungsversuchen.“
Es ärgerte ihn, dass sie alle Männer über einen Kamm scherte. „Sind Sie je auf den Gedanken verfallen, dass es vielleicht nicht Ihr Bein war, das die Gentlemen abschreckte? Vielleicht war doch eher Ihre Scharfzüngigkeit und Unterkühltheit daran schuld. Ja, möglicherweise erging es auch Farnsworth so.“
„Farnsworth hat meine scharfe Zunge während unserer Verlobungszeit wahrlich nicht zu spüren bekommen. Die habe ich mir erst später zugelegt. Ich war dumm genug, auf sein Gesäusel hereinzufallen. Ja, ich glaubte sogar, in ihn verliebt zu sein.“ Als sie tief seufzte, wollte ihm das Herz brechen. „Ich habe ihn stets mit äußerster Liebenswürdigkeit behandelt. Nein, mehr als dies.“
Diese Worte trafen ihn wie ein Schlag. Er hasste Farnsworth plötzlich aus tiefstem Herzen. Nicht allein, weil er Helena verletzt, sondern weil er sie erst in sich verliebt gemacht hatte, bevor er sie verließ.
Und was zum Teufel hatte es zu bedeuten, dass sie mehr als nur liebenswürdig mit ihm umgegangen war? „Verstehen Sie sich deshalb so ausgezeichnet aufs Küssen?“ fragte er, ohne nachzudenken. „Weil Sie so ausgiebig mit Farnsworth geübt haben?“
Sie blinzelte verwirrt. „Wovon sprechen Sie, um Himmels willen?“
„Dass Sie mehr als nur liebenswürdig zu diesem vermaledeiten Lord waren.“
Wütend nahm sie die Schultern zurück. „Damit wollte ich lediglich zum Ausdruck bringen, dass mein Verhalten stets ... freundlich und umgänglich war, nicht, dass ich ... Sie können unmöglich glauben ... ich ..." Ihre Stimme nahm einen eisigen Klang an. „Oh ja, so denken Männer -erst prahlen Sie damit, jedes Flittchen in London verführt zu haben, und dann machen Sie einer Frau Vorwürfe, weil sie zu einem Gentleman höflich war. Erst bringen Sie mich dazu, Sie zu küssen, und klagen mich dann an, mit ihm das Gleiche getan zu haben. Wie können Sie es wagen?“
Ihr Zorn machte ihn sprachlos. Für einen Augenblick betrachtete er sie nur ungläubig. Dann schüttelte er den Kopf. Weshalb war er nur plötzlich so eifersüchtig? Sie hatte wahrlich jedes Recht, ihm diese Schimpftirade an den Kopf zu werfen. Dennoch hätte er einiges darum gegeben, wenn er gewusst hätte, was ihn zu einer derart unüberlegten Bemerkung veranlasst hatte.
Aber musste sie von dem Kuss sprechen, als hätte er sie dazu gezwungen? „Verzeihen Sie mir, Helena“, bat er, bemüht, nicht zu zeigen, welcher Sturm in ihm tobte. „Ich kann Ihnen Ihren Zorn nicht verdenken. Was ich sagte, war dumm und ungerecht.“
Sie schenkte ihm einen misstrauischen Blick, als ahnte sie, dass er ihr etwas verheimlichte. „Wie wahr.“
„Sie können selbstverständlich küssen, wen Sie wollen“, versicherte er. Obwohl ich mir wünschte, sie gäbe mir den Vorzug. Schnell unterdrückte er diesen Gedanken und lenkte das Gespräch bewusst in eine harmlosere Richtung. „Und Sie können natürlich liebenswürdig sein, wann immer Ihnen der Sinn danach steht.“
„Tausend Dank für Ihr großzügiges Einverständnis.“ Aufmüpfig hob sie das Kinn. „Obwohl ich gut weiß, dass Sie mich dazu gar nicht für fähig halten.“
„Keineswegs. Während unseres Lunchs heute waren Sie reizend.“ Und hinterher noch weit mehr ... Himmel, ob er jemals wieder an etwas anderes denken würde als seine leidenschaftlichen Begierden?
„Sagen Sie das etwa nur, um mir zu schmeicheln?“ Als müsste sie sich gegen ihn wappnen, zog sie den Umhang enger um die Schultern.
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Daran würde ich im Traum nicht denken.“
„Immerhin gehört es zu Ihren Gewohnheiten, Frauen mit Komplimenten zu überhäufen.“
„Tatsächlich?“ Nahm sie denn an, er wäre genauso wie Lord Farnsworth?
„Oh ja. Selbst Griffith behauptet, Sie könnten sogar die Königin um den Finger wickeln, wenn Sie es darauf anlegten.“
Er zuckte die Schultern. „Mag sein. Aber seien Sie versichert, ich pflege
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