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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalma Heyn
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Ehefrau war ein Image, das ihnen einerseits zutiefst vertraut war, da es in Liebesgeschichten, die sie gehört und gelesen hatten, endlos wiederholt wurde, und gleichzeitig fremd, denn keine von ihnen kannte eine solche Frau persönlich. Natürlich wissen sie, daß sie ein überholter Prototyp ist, so wie sie wissen, daß die Ehe selten für immer geschlossen wird, wenn sie dies auch nicht glauben wollen. Sie ziehen es vor, dem Mythos Glauben zu schenken und nicht der Realität, stellt der Soziologe Norval Glenn fest, »trotz allem, was sie wissen, denken, fühlen und kommen sehen«. Sie seien »völlig unrealistisch«, sagt er, redeten sich ein, daß sie den Fallstricken entgehen würden. Die vorbildliche Ehefrau sei ein Image, das sich der Veränderung ebenso erfolgreich widersetze wie die Mär vom ewigen Glück; sie sei ein Bestandteil der gleichen Traumwelt.
    Wer ist die vorbildliche Ehefrau ? Welche Wirkung hat sie auf die Frauen, die ihr nacheifern? Und warum existiert sie jetzt — immer noch — für diese sexuell erfahrenen Frauen, von denen man annehmen sollte, daß sie mit diesem Idealbild nichts mehr anfangen könnten? Die Antworten werden uns vielleicht einen ersten Eindruck davon geben, wie Junes Selbstentfremdung entstehen konnte, ihr Gefühl, gleich zu Beginn der Ehe »ihre Sexualität an ihren Mann abgetreten« zu haben.

Werden wie Donna Reed

    Die vorbildliche Ehefrau ist natürlich Donna Reed. 2 Sie ist schön, hilfsbereit und zufrieden, sie lächelt, sie ist großzügig und feminin — sie ist, mit einem Wort, gut. »Gut«, wie es für die vorbildliche Ehefrau gilt, mindert stets ihr Selbst, wie in den positiv besetzten Eigenschaften Selbstaufopferung, Selbstverleugnung, Selbstbeherrschung, Selbstbescheidung das nachgestellte Wort stets das Selbst der Frau einschränkt, zügelt, schmälert. Ihre Tugendhaftigkeit steht in direkt proportionalem Verhältnis dazu, wie weit ihr Selbst bereits beschnitten wurde und wieviel vom Rest sie bereit ist aufzugeben. Falls sie bereit ist, ihr Selbst ganz auszulöschen — selbst los zu werden — , hat sie es geschafft, das höchste Ziel zu erreichen. Sie hat das erlangt, was viele für das beste Selbst der Frau halten, oft sogar als ihr »wahres« Selbst bezeichnen — so sehr ihr wahres Selbst auch offenkundig daraus getilgt wurde.
    Wenn sie ihr Selbst völlig auslöschen kann und es dennoch schafft, zufrieden zu erscheinen, dann hat sie die weitere Glanzleistung vollbracht, ihre Weiblichkeit zu erhalten — dieses schwer dingfest zu machende Wesensmerkmal, das Frauen immer zu verlieren drohen, sooft ihr Selbst all diese Fesseln sprengen will. In ihrem Buch Femininity (1984) bemerkte Susan Brownmiller, das Gespenst der verlorenen Weiblichkeit bedränge die Frauen zu allen Zeiten, eine ständige Mahnung an diese »angeborene Natur«, die sie »so sträflich zu ignorieren scheinen, sooft sie die ihr gesetzten Grenzen übertreten«. Sicherlich ist Weiblichkeit etwas, von dem man annimmt, daß Frauen in der Vergangenheit mehr davon besaßen — Brownmiller definiert den Begriff als »die Tradition auferlegter Beschränkungen« und tatsächlich schwindet die »Weiblichkeit« einer Frau mit jedem neuen Anzeichen keimenden Selbstbewußtseins, wie etwa Durchsetzungsvermögen oder Ehrgeiz.
    Am nachhaltigsten aber bringt offen gezeigte Sexualität diese Weiblichkeit zum Verschwinden; offene Sexualität ist mit Weiblichkeit oder Fraulichkeit nicht vereinbar. Die Annahme, daß die Frauen früher weiblicher waren als heute, liegt allein darin begründet, daß die Fesseln, die ihrer Sexualität angelegt wurden, in der Vergangenheit sehr viel stärker waren. Heutzutage gibt es zumindest theoretisch wenig, was Frauen davon abhalten könnte, offen aufzutreten und sich ihre sexuellen Wünsche zu erfüllen — oder doch zumindest zu zeigen, wie groß ihr Appetit darauf ist. Wie die Psychiaterin Dorothy Dinnerstein in The Mermaid and the Minotaur (1976) schrieb:
    Dies kann heute jeder spüren: Wenn Frauen zu mehr genitaler Lust fähig sind, als sie sie gegenwärtig bekommen, und wenn es ihnen gelingt, diese Lust zu finden, werden sie sehr viel stärker ihren eigenen Willen zeigen und weniger leicht zu unterdrücken sein; und umgekehrt, wenn sie fähig sind, mehr eigenen Willen zu zeigen, als sie es jetzt tun, und es schaffen, Anteil an der Macht zu erringen, die jetzt von Männern monopolisiert ist, werden sie mehr sexuelle Ansprüche geltend machen.
    Es ist schwer zu sagen,

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