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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalma Heyn
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welche Bedrohung — die sexuelle oder die politische — die Verteidiger unserer alten Ordnung stärker alarmiert.
    Die Frauen, mit denen ich sprach, betrachteten sich niemals wirklich als Donna-Reed-Rohstoff. Sie fühlten sich kaum dazu in der Lage, einem solchen Vorbild von Selbstlosigkeit und Geschlechtslosigkeit zu entsprechen. Dennoch unterzog sich jede von ihnen bei der Eheschließung einem Prozeß der Selbstrevision, das heißt, sie veränderten oder verdrängten jene Teile von sich, die sich nach ihrer Vorstellung nicht mit diesem Idealbild deckten. Ihre Gefühle, ihr Wissen und ihre Erfahrung — das heißt, was sie körperlich fühlten, was sie über sich selbst, über Männer, Sex und Beziehungen wußten — , all das fiel allmählich in sich zusammen und machte Vorstellungen davon Platz, was sie fühlen, wissen und erfahren würden, sobald sie Ehefrauen waren. Sie sprachen von dieser neuen Person mit einer Ironie, die ihr Einverständnis mit ihr Lügen strafte, mußten sie doch oft feststellen, daß ihre eigenen Gefühle beschämend hinter dem zurückblieben, was ihres Erachtens die Gefühle einer Ehefrau sein sollten. Eine junge Ehefrau formulierte diese Diskrepanz so:
    Vermutlich bin ich eine ziemlich fordernde Person, man hat mich immer als »dominant« bezeichnet. Als ich heiratete, dachte ich, hier werde ich bekommen, was ich brauche — oder geht es hier darum, auf alles zu verzichten, was ich brauche? Ich hatte so ein Gefühl, was soll’s, ich laß’ mir Zeit, um all das herauszufinden. So sehr werde ich mich ja wohl nicht ändern. Wenn man Ehefrau werden soll, muß man eben darauf vertrauen, daß man da hineinwachsen wird. Darum meinte ich, ich werde mich einfach bemühen, bis ich’s schaffe, andere Frauen tun das ja auch.
    Ich sagte zu meinem Mann, damals mein künftiger Mann: Hör zu, ich bin eine schlechte Köchin, ich bin ein Morgenmuffel, und am Abend werde ich um zehn Uhr müde. Ich kann das nicht ändern. Er reagierte toll: das wäre ihm schon klar. Trotzdem hatte ich fürchterliche Schuldgefühle, wenn ich nicht kochte, und bemühte mich verzweifelt, länger wachzubleiben. Es ist gar nicht so leicht, nicht zu versuchen, ein besserer, liebenswürdigerer Mensch zu sein, selbst wenn man weiß, daß es aussichtslos ist.
    Heiraten hat mir insofern immer Angst gemacht, als ich im Grunde einfach nicht der Typ dafür bin. Ich bin nie sehr angepaßt gewesen, sehr wohlanständig.
    So beginnt ein Prozeß der Abwertung des unverheirateten Lebens und früheren Selbst der Frauen, während sie sich völlig neuen Kriterien von Anstand unterwerfen und sich anschicken, den Status zu erwerben, der ihnen angemessener und beglückender erscheint als ihr vorhergehender. Sie werden dann ebenso idealisiert werden wie die glückselige Beziehungswelt, in die sie eintraten: Damit werden sie die Gefühle los sein, die sie vor der Ehe hatten, all diese ungezügelten, zweifelhaften, widersprüchlichen Gefühle in ihren vorehelichen Beziehungen, die Rachel Brownstein in Becoming a Heroine (1982) ironisch die »wirre, feindselige Wildnis der Tage« nennt, durch die alleinstehende Frauen irren, bevor ihnen die vollkommene Liebe begegnet und »ihr zielloses Leben mit einem Ziel ausstattet«.

»Zu dominant« für die Ehe

    Wie Donna Reed zu werden fing für diese Frauen oft damit an, alles Nötige zu tun, um sich neben ihr nicht grotesk zu fühlen. Sie beklagten sich selten darüber, daß sie sich vergleichsweise »zu klein« vorkamen; vielmehr fühlten sie sich zu dominant. Denn sie waren sich nur zu deutlich bewußt, daß das Modell Donna Reed zierlicher, stiller, charmanter, makelloser und femininer ist als sie selbst. Manche fühlten sich sofort »zu groß« oder »zu dick« — andere begannen erst mit der Zeit, sich »zu beherrschend«, »zu unabhängig« oder »zu kompliziert« zu fühlen. Oder »zu laut« oder »zu schrill« oder »zu emotional« — oder zu sehr an Sex orientiert.
    Neben Donna Reed, die hauptsächlich zuhört und gelegentlich einen klugen Rat gibt, empfanden sie sich auch als »zu gesprächig«. Natürlich kannten sie die Behauptung, daß Frauen endlos schwätzen; bewußt waren sie sich vielleicht auch der Tatsache, daß Männer, nicht Frauen in Konferenzräumen mehr reden; daß es die Jungen, nicht die Mädchen sind, die sich in der Schule mehr Gehör verschaffen. Wenn Männer und Frauen in einer Gruppe gleich viel reden, dann meinen die Leute bloß, die Frauen hätten mehr geredet, wie uns

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