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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalma Heyn
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nach einer erfüllten Ehe kollidieren, denn die Ehe verspricht heutzutage beiden Partnern Selbstentfaltung. Obwohl nun viele der Frauen, die hier zu Wort kommen, ihre Ehe mit der Absicht eingingen, sowohl getrennt als auch zusammen zu wachsen, mußten sie feststellen, daß dies doch zweierlei Ziele waren, daß die moralischen Imperative beider Wege unvereinbar waren. Der Versuch, sie miteinander zu verbinden, erwies sich als Zerreißprobe. Statt den neuen, mehr Selbsterfüllung versprechenden Lebensentwurf als erlösende Bereicherung des alten, auf Selbstaufgabe zielenden zu erleben, empfanden sie nur Konflikt. Jeder der beiden Entwürfe, mußte die vier-undvierzigjährige Anna feststellen, »ist mit einem ganzen Sack voller Gebote befrachtet, denen wir gerecht werden sollen — und die widersprechen einander sehr !«
    Die Frauen erlebten, daß ihnen die eheliche Zufriedenheit eine Selbstbeschneidung abverlangte, die sie nicht akzeptieren konnten; die Entwicklung der eigenen Person erforderte dagegen das Beharren auf eigenen Anliegen und Vergnügungen, die sie nur schwerlich durchzusetzen vermochten. Jede Frau jedweden Alters hatte Mühe, beides miteinander in Einklang zu bringen. Die neunundvierzigjährige Hope, seit dreiundzwanzig Jahren verheiratet und Mutter dreier halbwüchsiger Jungen, sagte:
    Meine Ehe funktioniert am besten, wenn ich mich mehr um uns als Familie kümmere als um mich selbst — und die meiste Zeit ist mir im Grunde auch danach. Ich fühle mich dann am besten, quasi am untadeligsten. Sie wissen schon: »Die Suppe ist fertig, Leute !« — und alle lachen mich glücklich an. Das läßt für mich aber überhaupt keinen Raum, dieser Ganztagsjob. Doch der Familienverband funktioniert so am besten. Sie können fragen, wen Sie wollen.
    Die siebenundvierzigjährige Ruth stimmt ihr zu:
    Meine Ehe hat im Grunde nichts mit mir zu tun. Ich habe inzwischen das Gefühl, daß ich diejenige sein muß, die sich um mich kümmert. Ich habe endlich kapiert, daß es niemand anderer tun wird. Wütend bin ich nicht darüber, bloß ein bißchen... überrascht. Es ist einfach eine Tatsache. Mein Mann läuft eben nicht herum und macht sich Sorgen um meine Entwicklung. Wenn es mir also wichtig ist, dann muß ich selbst etwas dafür tun, sonst passiert einfach nichts. Sonst werde ich zu einer dieser Frauen, die ich hasse, die einem die Ohren vollabern, daß sie die besten Jahre ihres Lebens an Ehemänner verschwendet haben, die längst gleichgültig geworden sind oder sich von ihnen scheiden ließen, und an Kinder, die nicht wirklich zu schätzen wissen, was sie alles für sie getan haben.
    Die achtundzwanzigjährige Chris neigt eher zu dem neueren weiblichen Lebensentwurf und spürt dabei weniger Ambivalenz als die älteren Frauen:
    Ich finde es merkwürdig, daß sich meine Familie so wenig um meine Bedürfnisse kümmert. Endlich begreife ich, was mir die Frauenbewegung zu sagen versuchte. Männer denken heute genausowenig wie früher daran, ihre Frauen zu fragen: »Liebling, finden deine Bedürfnisse Erfüllung ?« Auf das Risiko hin, langweiliger als eine Haarfärbereklame zu klingen: Ich weiß, daß ich weder ihm noch den Kindern oder mir selbst viel geben kann, wenn ich mit mir selbst nicht zufrieden bin. Deshalb versuche ich sehr zielstrebig, meinen eigenen Weg zu gehen.
    Dieser Spagat zwischen ehelicher und persönlicher Zufriedenheit -zwischen dem, was Lawson den »Mythos der romantischen Ehe« und den »Mythos des Selbst« nennt — war in meinen Gesprächen ständig präsent, trat in jedem Interview zutage. Er führte die Frauen mitten in das Dilemma von Selbstlosigkeit und Selbstentfaltung. Wenn sie der Entscheidung näherrücken, ob sie sich auf ein Verhältnis einlassen sollen, stehen dem Drang, ihren Gefühlen nachzugeben, enorme Hemmungen entgegen. Sie scheuen sich, »die Art von Person« zu werden, die so etwas tut. Was würde aus ihren Vorsätzen, ihrem Anstand, ihrer Charakterstärke werden? Und dennoch: Sie spüren die Forderung an sich selbst, ein eigenes Leben gesondert von dem ihrer Familie zu führen, unabhängig und selbständig zu sein, »den Gipfel der Selbstverwirklichung — Reife — zu erklimmen«.
    Angst vor der Option, der Selbstentfaltung nämlich, wie die achtundzwanzigjährige Chris sagt, »dafür gekreuzigt zu werden«, spricht aus ihren Geschichten. Wie Chris sagt:
    Ach dieses Wort! Ich habe es vom ersten Tag an gehört: »Chris, sei nicht so egoistisch .« Brave Mädchen sind nicht

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