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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalma Heyn
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dann merke ich, daß mich die Wut fast erwürgt. Woher kommt das alles? Warum tue ich das? Wem soll das nützen? Was versuche ich zu beweisen ? Mach endlich Schluß mit diesem Opfer-Getue!
    Die sechsundvierzigjährige Renée:
    Niemand hat je danach gefragt, warum meine Mutter kein Leben außerhalb von uns hatte. Ich erinnere mich, daß ich sie nicht glücklich fand, daß ich dachte, sie könnte eines Tages sehr krank werden. Wenn das passierte — ich würde wissen, warum, ganz egal, was die anderen sagten. Es würde die Opferkrankheit sein. Etwas tief drinnen, das die Eingeweide auffrißt; etwas Unheimliches, das nur Opfer bekommen. Ich machte mir große Sorgen darüber.
    All diese Frauen, die das Bedürfnis hatten, das Modell weiblicher Fürsorglichkeit auch auf die eigene Person auszudehnen, ein neues Kapitel über einen neuen Frauen-Typus in einer neuen Art von Liebesbeziehung zu schreiben, die dabei aber von Angst und Bangen erfüllt waren, all diese Frauen hatten das Gefühl, keinem der beiden Ideale zu genügen, weder dem alten noch dem neuen. Die dreißigjährige Julie sagt:
    Wissen Sie, ich fühle mich angeschmiert. Ich habe mich weder aufgeopfert, noch bin ich mir selbst treu geblieben. Ich passe in niemandes Modell von irgend etwas hinein. Ich bin einfach draußen in der Kälte. Trotzdem würde ich das andere, das Hergebrachte, nicht wollen.
    Die jungverheiratete Janie, vierundzwanzig:
    Ich habe gelernt, »gut« bedeutet »gut für Männer« oder »gut für die Kinder«. Den Automatismus, daß das dann auch gut für mich sein soll, lehne ich ab. Ich habe aber immer noch nicht die Kraft, das zu tun, was gut für mich ist, wenn es zu den Wünschen aller anderen im Widerspruch steht. Das ist für mich weder leicht, noch ist es klar.
    Und so stoßen diese Frauen wie Paula auf die grundlegenden Fragen, bevor sie ihre Einstellung ändern, Fragen, die ihr Idealbild von sich selbst in Zweifel ziehen. Flarry erinnert sie daran, wie Jonathan June erinnerte, daß sie sich jedes Vergnügen verschaffen kann, wenn sie nur will — aber um einen schrecklichen Preis. Um es zu bekommen, wird sie ihren Anspruch auf weibliche Tadellosigkeit aufgeben müssen, den sie ohne Frage ihr ganzes Leben lang hochgehalten und bewahrt hat. Nach etwa zwei Monaten des Schwankens kann Paula diese Fragen nicht länger halbwegs gelassen abwägen; ihr ist nicht mehr klar, warum sie diese untadelige Frau bleiben soll, und ebensowenig kann sie sich vorstellen, diese untadelige Frau hinter sich zu lassen. Sie weiß, daß keine Antwort richtig sein wird und daß beide Entscheidungen einen gewaltigen Preis fordern. Doch Verlangen und Entschlossenheit erfüllen sie zu sehr, als daß sie noch umkehren könnte, und plötzlich sieht sie ihren nächsten Schritt deutlich vor sich. Paula schickt sich an, ein unerhörtes, lebensrettendes Manöver zu wagen, aber eines mit beängstigenden Konsequenzen: Ehebruch, der flagranteste Verstoß gegen den »eisernen Käfig«, in den Ehefrauen eingeschlossen sind, ist der mächtigste Hebel, den sie ansetzen kann, um ihn zu sprengen.
    Bei genauerer Betrachtung ist keine der Frauen in außerehelichen Sex »hineingeschlittert«. Sie alle hatten, ähnlich wie June, ihren Entschluß nach langem Nachdenken und vielen Tagträumen gefaßt, hatten sich gefragt, »will ich das wirklich tun ?« , und hatten ja gesagt. Sobald die Entscheidung getroffen war, das Undenkbare zu tun, das Wagnis einzugehen, war da ein Gefühl der Dringlichkeit gewesen, und aus »Ich darf nicht« wurde ein »Ich muß, und zwar jetzt«. Paula sagt ja. Sie wagt den Sprung.

8. »Was ist das eigentliche Problem: die Monogamie oder die Ehe ?«

    Das folgende Interview mit Connie fand sechs Monate nach unserem vorhergehenden Gespräch in ihrem Haus in New Jersey statt. Connies Ehe mit Martin ist immer noch intakt, und dasselbe gilt für ihre außereheliche Beziehung zu Stephen.
    DH: Erzählen Sie mir von Stephen.
    CC: Stephen ist ein Freund. Ein alter Freund. Wir treffen uns, schlafen miteinander, mit sowenig Trara, daß man es eigentlich kaum eine Liebesaffäre nennen kann. Es ist eher wie eine großartige Freundschaft. Er nahm mich eines Abends in die Arme, weil ich bei der Arbeit Ärger gehabt hatte, und hielt mich einfach fest. Schlagartig wurde mir klar, wie lang das schon her war, daß mich ein Mann in den Armen gehalten und gestreichelt hatte, für mich da war. Ich hatte das Gefühl, mich fast nicht mehr erinnern zu können, wann ich das letzte Mal

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