Die heimliche Lust
zusammenbleiben würden — ich war sicher nicht auf der Suche nach einer dauerhaften Beziehung! — , aber es gab Dinge, die ich sehr an ihm mochte. Er ist ein ehrgeiziger, aktiver Mensch, immer bereit zu lächeln. Seine optimistische Grundhaltung war mir ganz ungewohnt, so anders als die von Daniel — und meine eigene.
»Wieviel von all dem haben Sie Daniel erzählt ?« , fragte ich.
»Ich habe ihm alles erzählt. Alles. Den ganzen Hintergrund und alles über Charles. Daß er immer wieder nach der Vorstellung in die Garderobe gekommen war. Daß er mich zum Abendessen und zum Kaffee einlud und daß wir schließlich, nachdem das zwei Wochen so gegangen war, miteinander schliefen. Daß ich Sex von einem Menschen bekam, der mir ein positives Gefühl von mir selbst vermittelte, zu einem Zeitpunkt, wo ich deprimiert war. Jemand, der mich zauberhaft fand und der ungefährlich erschien, denn ich wollte ja Gesellschaft, nicht Liebe. Auch, daß ich froh war, das für ein paar Wochen gehabt zu haben — und daß ich es nicht länger brauchte. Es war vorüber .«
»Und wie reagierte Daniel?«
»Mein ursprünglicher Impuls war, ihn zu einer Reaktion zu drängen. >Du kannst mich schlagen, du kannst mit mir tun, was du willst !< sagte ich zu ihm. Es war irgendwie albern, aber es drängte mich dazu. Das tat er natürlich nicht. Er zog sich zurück.
Nachdem er etwa eine Woche lang nicht mit mir gesprochen hatte, sagte er: >Es ist nicht fair, daß ich so zu dir bin. Genau das magst du nicht an mir. An dem, was geschehen ist, bin ich genauso mitschuldig wie du .< Und lange Zeit spürte ich eine wirklich große Nähe zu ihm. Er versuchte, offener zu sein. Da war ich sehr hoffnungsvoll .«
Warum, fragte ich sie, sei es so wichtig gewesen, ihrem Mann von dieser Affäre zu erzählen, die bereits vorüber war? War es, weil sie sich schuldig fühlte oder weil sie wütend war?
»Nein. Ich glaube nicht«, sagte sie. »Ich kann einfach nicht anders. Ich bin immer ehrlich gewesen. Daniel hat diese Frau geheiratet, und er weiß es. Viele Leute haben mich gewarnt, ihm je etwas zu sagen, und die meisten Leute meinen noch immer, daß ich einen Fehler gemacht habe. Aber ich habe noch nie so gelebt. Manchmal denke ich, es wäre leichter für ihn, wenn er es nicht wüßte, und schwieriger für mich — obwohl die Menschen doch Antennen haben, und entweder schauen sie genau hin, was sie empfinden, oder eben nicht. Das habe ich an der Beziehung meiner Eltern immer am meisten gehaßt — dieses Leugnen. Ich mag es nicht, irgend etwas zu leugnen. Und deshalb lasse ich erst gar nicht zu, daß das geschieht.
Wenn ich spüre, daß Daniel etwas empfindet, dann tue ich nicht so, als existiere dieses Etwas nicht. Niemals. Er dagegen kann Dinge übergehen. Ich weiß nicht, wie Daniel wäre, wenn ich mehr wie er wäre — vielleicht wäre er sehr glücklich! Er kann gut damit leben, sich nicht zu konfrontieren. Ich kann das nicht. Wenn etwas sehr wichtig für mich ist, dann dulde ich keine Lügen. Ich meine, ich bemühe mich um Aufdeckung. Zumindest meiner Lügen. Gegenüber den Lügen anderer bin ich toleranter.
Ich wollte, daß er begreift, daß es da ein echtes Problem gibt oder vielmehr Probleme. Und daß es ernst ist und daß ich daran arbeiten wollte. Wir mußten daran arbeiten.
Das ist ziemlich kompliziert. Wenn ich sage, ich wollte, daß er weiß, daß da ein Problem ist, will ich ihm damit doch keine Schuld für meine Affäre zuschieben. Ich sage nicht, >ich habe das getan, weil du jenes getan oder nicht getan hast<. Ich sage, daß all die Dinge, die letztes Jahr passiert sind, plus die Distanz zwischen uns plus Daniels geringe Gesprächsbereitschaft plus meine Einsamkeit unterwegs, all das ist Bestandteil des Problems. All das muß in Betracht gezogen werden, bedarf der Aufmerksamkeit. Wir hätten auf diese Dinge achten müssen, und wir haben es nicht getan, das war ein Teil des Problems. Wir hätten über unsere Umzüge sowie unsere Trennungen sprechen müssen, auch über das, was ich als Daniels allgemeinen Mangel an Kommunikationsbereitschaft ansehe .«
»Dennoch scheint er auf die Neuigkeit in einer Weise reagiert zu haben, die er später bedauerte. Als ob er einsähe, daß Sie ein Recht auf Ihre Affäre hatten und er kein Recht auf seine Bitterkeit darüber .«
»Ich glaube nicht, daß er mir das Recht auf die Affäre zugestand. Nur das Recht auf Fairness in der Bewertung, warum es dazu kam. Und das Recht auf Anerkennung, daß ich
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