Die heimliche Lust
mein Versprechen ihm gegenüber gehalten hatte, ihn nie zu belügen.«
»Haben Sie selbst das Gefühl, daß Sie, wenn Ihre Kommunikation mit Daniel ideal wäre und Sie nicht sechs Wochen weggewesen wären...«
»Daß ich dann keinen Seitensprung gemacht hätte? Nein. Das kann ich nicht behaupten. Das meine ich damit, daß ich niemanden beschuldige. Das wäre viel zu einfach. Nach dem Motto: >Ich bin so unkompliziert und so anständig, daß ich mich immer tadellos benehmen werde, wenn du mich nicht zu etwas treibst, wenn du nicht etwas tust, was mich unanständig reagieren läßt .< Ich hasse diese Haltung. Wer ist denn schon so anständig? Wer benimmt sich so vollkommen? >Er hat sie zu diesem Seitensprung getrieben. Sie hatte keine andere Wahl !<
Ich sage nur, daß das mit mir los war, daß ich diese Dinge vermißt habe und daß sie zusammen zu dem emotionalen Zustand beigetragen haben, in dem ich war, und dieser verletzliche Zustand trug zu meinem Verhalten bei. Das ist alles. Wäre Daniels und meine Beziehung glücklich — wer weiß, vielleicht hätte ich mich dennoch genauso verhalten. Ich glaube es zwar nicht, aber ich kann es nicht sicher wissen. Die Umstände waren eben andere. Was ich weiß ist, daß wir an den Problemen zwischen uns arbeiten können; daß sie dazu beigetragen haben könnten oder auch nicht, daß ich eine Affäre hatte; und daß ich daran arbeiten möchte, unsere Ehe zu verbessern .«
»Geht denn aber aus Ihren Worten nicht hervor, daß seine mangelnde Kommunikationsbereitschaft Sie hinreichend störte, um aus der Ehe auszubrechen? Und könnte man daraus nicht schließen, daß ein kommunikationsfreudigerer Daniel die Affäre mit Charles vielleicht verhindert hätte ?«
»Ja, unsere Situation trug zu meiner Bereitschaft bei, mir anderswo Sex zu suchen, das ist sicher. Aber ich wurde nicht dazu getrieben. Daniel oder die Umzüge oder unsere Probleme waren nicht die Ursache meines Seitensprungs. Ich habe ihn verursacht! Verstehen Sie? Es geht nicht darum, daß ich gezwungen wurde. Worum es geht ist, wer ich unter bestimmten Umständen bin.
Ich will einfach nicht den Eindruck erwecken, als wäre ich in etwas hineingedrängt oder hineingelockt worden. Ich meine, Charles war zwar hinter mir her, aber ich war diejenige, die ihn schließlich verführte, sobald sich die Szene vom Theater in seine Wohnung verlagerte. Ich habe es dann vorangetrieben. Daniel hat mich nicht in die Person verwandelt, die einen anderen Mann drängte, mit mir zu schlafen! Das meine ich damit — ich war es, die das dort getan hat. Ein Teil von mir, den ich gar nicht kannte, das gebe ich zu, aber dennoch ich. Sollte ich Daniel dafür die Schuld geben? Oder meiner Ehe ? Das sind zwei Paar Stiefel !«
»Ich verstehe. Aber dennoch habe ich den Eindruck, daß Sie ambivalent in dieser Frage sind, obwohl Sie eindeutig die Verantwortung für Ihren Seitensprung übernehmen. Ich denke, wir machen uns alle keine klare Vorstellung davon, wie stark sich die Monogamie auf die Ehe auswirkt. Ich habe den Eindruck, daß wir immer noch von dem Glauben durchdrungen sind, eine gute Ehe sei automatisch monogam und außerehelicher Sex müsse deshalb bedeuten, daß an der Ehe irgend etwas faul ist. Ich trete das deshalb so breit, weil ich herausfinden will, was der eigentliche Grund Ihres Seitensprungs sein könnte .«
»Ja, nun, Gründe dieser Art gibt es viele. Daniel war aggressiv, in einer kaum merklichen Art, und er hat mir eine Furcht vor Dingen eingeflößt, vor den verschiedensten Dingen, ich war ja noch sehr jung. Er begann mich zu beherrschen, und ich fing an, mich inkompetent zu fühlen. Ich könnte Ihnen eine Liste seiner Fehler aufzählen und eine Liste unserer Probleme — aber ich glaube immer noch nicht, daß eine >bessere< Ehe Monogamie garantiert — stimmt das denn noch? Es gibt gute Ehen, in denen beide Partner fremdgehen; und schreckliche Ehen, wo sie ewig zusammenkleben. Eine unvollkommene Ehe rechtfertigt die Untreue gefühlsmäßig, als ob niemand je mit jemand anderem als seinem Partner schlafen würde, wenn die Ehen vollkommen wären .«
»Ich denke, das könnte etwas damit zu tun haben, wie man >vollkommen< definiert .«
»Manchmal glaube ich, wenn Daniel weniger vollkommen wäre, weniger der Gary-Cooper-Typ und gut und anständig und all das, dann wäre es besser für mich, für uns.
Dann wäre ich weniger die Frau, die ihren Mann aufzuknacken versucht, und er wäre weniger der Mann, der seine Frau unter
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