Die heimliche Päpstin
ist …«
Ich sah sie neugierig an. »Sondern? An deinen Alberich vielleicht?«
Sie stieß einen höhnischen Laut aus. »Ein zweiter Langobarde!«
»Ist das ein Grund, der gegen ihn spricht? Er hat sich am Garigliano umsichtig und zugleich tapfer geschlagen, er ist das männliche Oberhaupt eures Geschlechts …«
Dies hätte ich nicht sagen sollen.
»Nie!« schrie Marozia erregt. »Dieser hergelaufene Abenteurer, der nur an Jagd denkt, der vielleicht fechten kann, aber von Politik nichts versteht – ich bin das Oberhaupt unseres Geschlechts, ich, verstehst du, ohne mich ist Alberich ein Nichts! Ich beherrsche Rom und das Umland, mir muß sogar der Papst gehorchen und sein sodomitischer Pietro dazu …«
»Du bist, wie bereits deine Mutter, mächtig und reich«, unterbrach ich sie, »gleichwohl bist du eine Frau, und als solche kannst du nur indirekt herrschen. Du könntest aber durch deine Söhne eine Dynastie gründen, die vielleicht tatsächlich einmal Italien beherrschen und einen könnte. Allerdings brauchst du dazu Alberich. Beide im übrigen: deinen Mann und deinen Sohn!«
Erregt durcheilte sie mehrfach den Raum und baute sich schließlich vor mir auf.
»Ja!« stieß sie widerstrebend aus und ließ ein heftiges »Nein!« folgen. »Der Papst und sein Adlatus – ich spüre den Widerstand. Vielleicht glauben sie sogar, ich hätte meine Mutter getötet …«
»Marozia, was willst du eigentlich?« Ich hatte ihre Hände genommen und schaute ihr eindringlich in die Augen. Ich dachte: Du bist eine große Liebende, aber keine geborene Herrscherin. Du willst deinen Willen durchsetzen, dich an Wollust und Macht berauschen und sogar Herrscherin über den Papst, ja heimliche Päpstin werden. Du willst unbedingt deine Mutter übertreffen – aber im Grunde möchtest du nur geliebt werden.
In ihren Augen standen unvermittelt Tränen. Sie biß sich auf die Lippen, schluckte und setzte zu sprechen an – war indes nicht in der Lage zu sagen, was sie wirklich wollte.
49
Marozia traf sich mit ihrem Gemahl Alberich nicht mehr im gemeinsamen Bettgemach: Alberich zog ruhelos durch seine Markgrafschaft oder ging gemeinsam mit Wido von Tuszien auf Jagd, nahm dabei seinen Sohn Alberico mit, um ihn an rauhe Männersitten zu gewöhnen.
Sie dagegen aß und trank mehr als gewöhnlich. Die Folge war, daß sich ihre Formen noch üppiger rundeten. Verabschiedete ich mich abends von ihr, bemerkte ich, daß ihre Bewegungen unsicher geworden waren, die Stimme zu lallen begann.
Ihre Stimmungen schwankten stark. Es gab Abende, an denen sie sich an meine Brust warf und scheinbar grundlos in Schluchzen ausbrach, an anderen ließ sie sich von Giovanni das Hohelied Salomos vorlesen; und dann gab es Abende, an denen sie ihren Mann Alberich und auch Pietro verfluchte, schließlich ihre verschwundene Mutter schmähte und ihr über den Tod hinaus Rache schwor.
Schließlich geschah etwas, worauf ich bereits lange gewartet hatte, denn eine auf Dauer enthaltsam lebende Marozia konnte ich mir nicht vorstellen: Angelo trat in ihr Leben – oder genauer: Er erregte ihre Aufmerksamkeit.
Unser Angelo lebte als Sohn einer längst verstorbenen Magd seit seiner Geburt in der familia und wuchs zu einem glutäugigen, schlanken Jungen heran, der meist im Haus beschäftigt wurde, weil er Angst vor Pferden zeigte, sich aber in der Küche gelehrig anstellte. Er hatte bei einem der Gärtner das Flötenspiel gelernt und erfand süße Melodien, mit denen er das Küchengesinde so lange unterhielt, bis Marozia sein Spiel belauschte und ihn aufforderte, ihr, der Herrin, vorzuspielen.
Als ich unsere Köchin auf Angelo ansprach, hörte ich ein schmutziges Lachen und einen Hinweis darauf, daß er noch nie ein Mädchen angerührt habe, nicht einmal in der hintersten Vorratskammer oder in der tiefsten Nacht, obwohl ihn doch alle umschwärmten; allerdings sei er bereits mehrfach unter den Pferdeknechten beobachtet worden. Und sie machte eine eindeutige Geste.
Zuerst beruhigte mich dieser Gedanke, bald jedoch, je öfter ich Angelo in Marozias Gemächern spielen hörte, beunruhigte er mich. Würde sie ein Auge auf ihn werfen – ich wußte um die Anziehungskraft seines tiefgründigen Blicks –, sah ich zahlreiche Schwierigkeiten entstehen, sah ihn sogar in Lebensgefahr. Ich überlegte, ob ich Crescentius empfehlen sollte, ihn unter einem Vorwand auf eine unserer Domänen zu schicken. Als ich diesen Plan andeutete, verbot mir Marozia, daran auch nur zu
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