Die heimliche Päpstin
sprach ein Gebet und segnete ihn.
Bevor er wortlos die Kapelle verließ, beugte er vor dem Kreuz des Belisar erneut das Knie und verharrte eine Weile in bewegungsloser Anbetung.
Am nächsten Tag zelebrierte er eine feierliche Messe zu Ehren der Toten in der Lateranbasilika, und auch die Beisetzung in der Gruft leitete er. In seinen Ansprachen hielt er sich an überkommene Floskeln, und es gelang ihm meisterhaft, seine Gefühle zu beherrschen.
Jeder der erwachsenen Anwesenden wußte, daß Johannes ohne Theodoras Einfluß nie Papst geworden wäre, daß Theodora seine langjährige Geliebte gewesen war; jeder mußte erahnen, daß ein Geheimnis ihren Tod umgab. Und wer in der Haltung der Trauernden lesen konnte, erkannte, daß Theodora in ihrer Tochter Marozia eine entschlossene Nachfolgerin gefunden hatte – und daß zugleich nichts mehr so sein würde wie zuvor.
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Marozia wirkte, kaum hatte sich der schwere Deckel über dem leeren Sarkophag ihrer Mutter geschlossen, erleichtert und ließ keinen Zweifel daran, daß sie die Herrin im Haus, in Rom und auch im Patrimonium Petri sein wollte. Bei einem spätabendlichen Gespräch in ihrem Schlafraum erläuterte sie mir ihre weiteren Pläne und bat mich bei der Brust, die sie – und Alexandros! – genährt habe, um Unterstützung. Selbstverständlich sei ich ›im Prinzip‹ keine Sklavin mehr, sondern mütterliche Ratgeberin und liebste Vertraute, zudem Aufseherin aller wirtschaftlichen Vorgänge, die im Namen und Auftrag des Hauses ihres verstorbenen Vaters getätigt würden; sie verspreche mir, Boten nach Konstantinopel zu schicken, damit wir unseren geliebten Alexandros, so er noch lebe, ausfindig machen könnten.
Sie warf mir einen kurzen Blick zu und strich dann die Pergamentseiten, die Crescentius ihr gebracht hatte und auf denen die Domänen mit ihren jeweiligen Abgaben aufgelistet waren, mit einer betont sorgfältigen Bewegung glatt.
»Das Kloster Farfa ist nach der Befreiung von den Sarazenen seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Wenn das so weitergeht, werde ich dich hinschicken, um endlich für Ordnung zu sorgen, oder, noch besser, meinen Sohn Konstantin zum Abt ernennen, sobald er sein Gelübde abgelegt hat.«
Sie rechnete das Ergebnis einer Liste zusammen, indem sie leise Zahlen addierte.
»Er ist noch ein Kind und muß erst die höheren Weihen erhalten«, wandte ich ein.
»Wenn nicht ihn, dann Giovanni. Er hat es bereits bis zum Akoluth geschafft und wird bald Subdiakon. Hast du bemerkt, wie sicher er in der Beherrschung des kanonischen Rechts ist, wie schön er singt und wie gut er die Psalmen beherrscht? Er kann das halbe Brevier auswendig.«
Ich nickte.
Marozia ließ nun ihren Blick auf mir ruhen: »Dir ist klar, daß er so früh wie möglich Papst werden soll?«
Längst war mir dies klar. Dennoch erwiderte ich: »Ich glaube zwar nicht, daß ihm so sehr an diesem schweren und verantwortungsvollen Amt gelegen ist, schon gar nicht in jungen Jahren, aber es reicht sicher, daß du es wünschst und planst.«
Sie überhörte meine Spitze. Ich ärgerte mich über mich selbst, weil mich irgend etwas an Marozia reizte, und keiner von uns wirklich offen sprach. Vielleicht hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht gelernt, ihre Art von Ehrgeiz zu akzeptieren. Vielleicht hatte ich sogar insgeheim gehofft, sie würde nicht nur von meiner Freilassung sprechen, sondern handeln und mich wegschicken. Indes: Hätte ich wirklich gewagt zu gehen?
Ganz sachlich griff sie meine Bemerkung auf: »Giovanni weiß noch nicht, was gut für ihn ist. Daher muß es reichen, wenn ich ihn auf seinen Weg in die Zukunft schicke. Das siehst du richtig.«
»Wenn er Papst werden soll, wäre es für ihn am besten, eine Weile in einem Kloster gelebt zu haben, um dort die nötige Zucht und Glaubensstrenge zu lernen.« Am liebsten hätte ich noch ›ohne mütterliche Bevormundung und Verwöhnung‹ eingefügt, ließ es aber.
»Kommt nicht in Frage! Ich will ihn um mich haben. Außerdem soll er möglichst bald ein Amt in der Kurie erhalten, das des vestararius vielleicht, da kann er nicht viel falsch machen. Lieber wäre es mir, er würde arcarius oder saccellarius wie sein Großvater. Aber diese Ämter hat Papst Johannes bereits diesem Pietro übertragen, was ich nicht hinzunehmen bereit bin. Auf jeden Fall soll mein Giovanni demnächst dem Heiligen Vater bei der Pfingstmesse ministrieren, und anschließend möchte ich mit Johannes über den Jungen sprechen und
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