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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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Seite könnte ich tatsächlich König werden.« Er schaute Alberich auffordernd an.
    »Auf mich kannst du dich verlassen.«
    »Nicht nur König, Wido!« rief Marozia. »Kaiser! Wenn mein kleiner Giovanni erst einmal Papst ist, wird er dich krönen, nicht wahr, mein Goldschatz?«
    Ihr Ältester nickte schüchtern.
    Wido griff nach der süßen Frucht, die Marozia ihm gereicht hatte, biß mit schlürfenden Lippen hinein und schaute ihr dabei tief in die Augen.
    51
    Noch heute sehe ich den jungen Wido vor mir, wie ihm der Saft der Frucht von den Lippen tropfte, wie Marozia darüber hell auflachte und ihm dann einen so eindeutigen Blick zuwarf, als wolle sie ihn vor aller Augen in ihr Schlafgemach ziehen. Angelo hatte offensichtlich ihre verderblichen Begierden angestachelt, aber nicht ausreichend befriedigen können, und ich sah eine Wiederholung dessen voraus, was Theodora ihrer Tochter vorgelebt hatte. Doch wiederholt sich die Geschichte nur selten, insbesondere dann nicht, wenn man als Tochter die Mutter übertreffen möchte. Marozias Versuch führte auf jeden Fall, so sehe ich dies heute, direkt ins Unglück.
    Ich frage mich, was den schönen Wido – immerhin sechs Jahre jünger als Marozia – bewogen haben mochte, sich auf das folgende Ehebruch-Spiel mit der Frau seines Freundes und mächtigsten Verbündeten einzulassen. Sank er nur einfach hin, von ihr gezogen? Gab er als Mann mit strotzenden Kräften dem Zaubergesang einer Sirene nach? Bei allem verführerischem Liebreiz, den Marozia auszustrahlen vermochte, mußte er sich der Gefahr bewußt sein, in die er sich begab.
    Doch der Markgraf von Spoleto war verletzt, bereits vor der Verwundung durch die Wölfin. Wie jeder Leitwolf durch Zeichen von Schwäche die Nebenbuhler und möglichen Nachfolger anzieht, so mochte auch Wido spüren, daß Alberich nicht mehr die Kraft besaß, seine Herrschaft über Herde und Weib zu behaupten.
    Nach dem Sieg über die Sarazenen konnte er sich, solange Theophylactus lebte, in der Rolle des römischen Kronprinzen sonnen. Nach dem Tod seines väterlichen Förderers und Freundes gelang es ihm gleichwohl nicht, von Papst Johannes zum Konsul ernannt zu werden, was nicht viel über Macht und Einfluß besagte, jedoch ein Zeichen dafür war, daß sein Stern zu sinken begann. Auch Marozia unterstützte ihn nicht ausreichend bei seinem Bemühen, das päpstliche Amt des superista , durch das er die Palastwache des Lateran befehligt hätte, zu erhalten. Es gab keine Unruhen oder Kriege, für die man ihn benötigte.
    Dafür traf ihn vor Theodoras Verschwinden die erniedrigende und niederschmetternde Nachricht, daß er nicht der Vater seines ältesten Sohnes sei. Vielleicht brachte ihn diese Erkenntnis zum Stolpern. Er wurde zu Alberich, dem Gehörnten, der kaum noch Witze erzählte, dafür selbst Gegenstand von Witzen in Kurie und Volk wurde. Dabei übertrieb man maßlos Marozias wollüstige Verirrungen.
    Sein Ruf wurde auch nicht durch den Mord besser, auf den das Geschehen, scheinbar unaufhaltsam, zusteuerte.
    Ich möchte mich an Mutmaßungen über seine Hintergründe nicht beteiligen, weil sie zu den traurigsten Kapiteln meines Berichts gehören. Ich möchte nicht den Männern Material liefern, die sich, angestiftet von Marozias Gegnern, in absehbarer Zeit daran machen werden, das Ansehen des Hauses Theophylactus in den Schmutz zu ziehen. Ich habe meine Mariuccia immer geliebt, selbst wenn ich sie nicht verstand, selbst wenn ich ihr Verhalten mißbilligte, sogar verurteilte – ich habe sie geliebt wie den Zwilling meines abwesenden, von verklärtem Licht überstrahlten Sohns. In manchen Stunden, in denen meine Stimmung so düster war wie die Gruft, in der wir hausen, sah ich in ihr sogar mich selbst, die ich hätte werden können – und erschrecke tödlich vor diesem Antlitz hinter der lächelnden Maske.
    Ich habe auch Alberich geschätzt, obwohl mir sein lautes Soldatenwesen fremd war. Er gehörte nicht zu den skrupellos wortbrüchigen Ränkeschmieden, von denen es unter den Mächtigen der italischen Völker so wimmelt, und nicht zu denen, die sich an Folter und Blendung ihrer Gegner ergötzen.
    Nachdem Alberich die Wahrheit über Giovanni erfahren hatte, rührte er Marozia nicht mehr an, weilte selten in unserem Palast, ging wochenlang mit oder ohne seine Freunde auf Jagd.
    Nun war er verletzt zurückgekehrt, und seine Wunde wollte nicht heilen. Im Gegenteil, sie entzündete sich, und Alberich wurde von heftigem Fieber befallen.

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