Die heimliche Päpstin
Gebete ein und wünsche ihm baldige Genesung mit Gottes Hilfe.
Einige Tage ging es Alberich besser. Er ließ sich eine leichte Hühnerbrühe einflößen und trank einen Schluck Wein.
Dann mußten wir erneut den Arzt holen.
Sorgenvoll hielt er seine Hand an die Stirn des Kranken, schaute sich seine Augen und die Zunge an, ließ sich den letzten Urin zeigen und prüfte die Wunde. Auf einen Aderlaß verzichtete er. Leise sprach er von dem Ratschluß des Allmächtigen, dem wir alle, Christen, Juden und Sarazenen, gehorchen müßten.
Am nächsten Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, als ich zum ersten Mal nach Alberich schaute, waren seine trüben Augen auf mich gerichtet, die Lippen bewegten sich. Ich ordnete an, kalte Tücher zu holen, und flößte ihm selbst ein wenig Wasser ein.
»Hol Marozia und meine Kinder«, flüsterte er. »Und einen Becher Wein!«
Als erster war Alberico zur Stelle. Dann erschien Marozia mit Giovanni und Berta. Nun eilte auch der Priester unserer familia herbei und bereitete eine weitere Letzte Ölung vor.
Der Becher stand unangerührt auf einem Schemel neben Alberichs Kopf.
Er winkte Marozia herbei, die sich zögernd zu ihm setzte.
»Ich weiß, daß ich dir nie genügt habe«, flüsterte er kaum verständlich. »Und doch habe ich dich verehrt …« Mit letzter Kraft brachte er ein »und geliebt« heraus.
Marozias Augen füllten sich mit Tränen, ohne daß sie etwas sagen konnte. Giovanni und Berta standen hinter ihrer Mutter, starr und hilflos. Nur Alberico warf sich schluchzend vor dem Bett seines Vater auf die Knie, griff nach seiner Hand, schrie »nein, nicht sterben!« Alberich drehte ihm seinen Kopf zu, bewegte seine Lippen, und es sah so aus, als wollte er ein letztes Mal, nach langer Zeit wieder, lachen. Aber ihn erfaßte nur ein erstickendes Husten. Sein Oberkörper schien sich aufrichten zu wollen, wie von einer inneren Kraft geschüttelt, der Mund stand offen und stieß kaum verständliche Laute aus. Ich bin sicher, daß er die Wölfin, die Wölfin sagen wollte.
Kraftlos fiel er zurück.
Der tapfere Alberich, der Vater unserer Kinder, hatte seine letzte Reise angetreten.
52
Kurz nach Alberichs Tod erschien, obwohl noch gar nicht benachrichtigt, Papst Johannes, mit Pietro an seiner Seite, sprach der Witwe, seiner ›liebsten Tochter‹, sein tiefempfundenes Mitgefühl über den schweren Verlust aus, der ganz Rom und auch das Haus Gottes treffe – ›besonders in diesen schweren Zeiten, in denen ruchlose Feinde von neuem ihr freches Haupt erheben‹. Er segnete Alberichs Söhne, vornehmlich Giovanni, und hielt eine kurze Gebetsandacht, bei der er sich von dem jungen Diaconus assistieren lassen wollte. Doch unser Sohn war derart verwirrt, daß er keinen der ihm übertragenen Texte mehr auswendig wußte, die liturgischen Handlungen durcheinander warf und schließlich sogar das Weihrauchfaß zu Boden fallen ließ. Selbst unser Hauspriester hatte Giovanni nicht helfen können, trotz aller Versuche, ihm vorzuflüstern, was er zu sagen und zu tun habe.
Marozia wand sich vor Peinlichkeit, doch der Heilige Vater zeigte sich milde und verständnisvoll, während Pietro unter höhnischem Lächeln für Giovanni einsprang, obwohl er nur eine der unteren Weihestufen erreicht hatte.
Bei der drei Tage später stattfindenden Totenmesse in Sancta Maria und der darauffolgenden Beisetzung in der Familiengruft spielte Giovanni seine Rolle besser. Mittlerweile war auch sein Mönchs-Bruder Konstantin aus dem Kloster Farfa eingetroffen, stand aber abseits, neben Pietro, der sich ebenfalls bei der Zelebrierung der Eucharistie zurückhielt.
Marozia verhielt sich gefaßt. Nur Alberico wurde derartig von haltlosen Anfällen der Trauer überwältigt, daß ich ihn zu mir nahm und an mich drückte, damit er nicht weiter durch sein Schluchzen den Verlauf der Messe störe.
Wer noch lebte von Alberichs alten Kampfgefährten, war ausnahmslos erschienen, während die Grafen aus seinem Spoletaner Herrschaftsbereich, vermutlich erst spät benachrichtigt, nicht gerade vollzählig ihrem Herrn die letzte Ehre erwiesen. Diejenigen, die erschienen waren, wußten nicht recht, wohin sie sich stellen sollten: in die Nähe der Witwe, des Sohns und möglichen Nachfolgers Alberico oder gar der päpstlichen Verwaltung, die offiziell über Titel und Herrschaft der Markgrafschaft zu befinden hatte, da diese zum Patrimonium Petri gehörte.
Marozia hatte ihrem Geliebten Wido von Tuszien unverzüglich nach Alberichs
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