Die heimliche Päpstin
nicht gewöhnt, daß ein Weib ihm derart über den Mund fährt.«
Marozia brach in schrilles Gelächter aus.
»Ein Weib«, fuhr Pietro mit erhöhter Stimme fort, »über dessen soeben vor Gottes Richterstuhl tretenden Gatten gemunkelt wird, daß er nach der Ermordung des rechtmäßigen Kaisers Berengar die Ungarn ins Land rufen wollte …«
Pietro konnte nicht weiterreden, weil mehrere Freunde und Weggenossen Alberichs »Unerhört!« und »Verfluchte Lüge!« schrien.
Marozia stieß, fast stimmlos, aus: »Das ist so ungeheuerlich, daß ich …« Sie verstummte mitten im Satz.
Rasch verschaffte Pietro sich wieder Gehör: »Ist es vergessen, daß Markgraf Alberich seinen Titel durch den Mord an dem rechtmäßigen Erben der Spoletaner Dynastie erwarb, verliehen von einem wohlmeinenden, doch allzu willfährigen Hirten Gottes?«
Diesmal unterblieben die Protestrufe, weil die Anklage – zudem in diesem Raum und zu diesem Zeitpunkt – so ungeheuerlich war, daß sie nur mit dem Schwert geahndet werden konnte. Ich schaute auf Alberico, der, bleich geworden, zitterte, auf Giovanni, der hilflos grinste, auf Crescentius, der, ebenso wie seine Frau, erstarrt war.
»O Gott!« brach es aus mir heraus, »ihr werdet doch wohl nicht …« Auch ich konnte meinen Satz nicht zu Ende sprechen.
Nun hatte sich Marozia wieder gefangen. Ihr Antlitz war gerötet vor heiligem Zorn, ihre Haltung drückte Kampfbereitschaft und tödliche Entschlossenheit aus. »Zu welchem Zweck hätte Alberich mit den Ungarn paktieren sollen?«
»Ganz einfach: Er wollte König und Kaiser werden. Waren die norditalischen Landschaften und Städte erst einmal verwüstet, hätte er sich mit seinem Kumpanen Wido von Tuszien zusammentun können, um Schutz gegen die Ungarn zu versprechen. Seine Bedingung: Wahl zum König! Anschließend hätte er den Heiligen Vater mit vorgehaltenem Schwert gezwungen, ihn zum Kaiser zu wählen. Unser allmächtiger und gerechter Gott indes hat seinen ruchlosen Plan durchkreuzt.«
Bisher hatte ich Pietro für einen raffinierten Ränkeschmied gehalten, doch jetzt sah ich an der Reaktion der Anwesenden und an seiner Miene, mit der er sich selbstgefällig umsah, daß er lediglich dummdreist und längst über sein Ziel hinausgeschossen war.
Der Papst schien zurückrudern zu wollen. »Der Frieden des Herrn liege über diesem Haus«, sagte er in die erneut aufflammenden Protestrufe hinein und hob seine Hand wie zum Segen. »Ich sagte bereits«, wandte er sich an Marozia, nun mit entschiedener Stimme, »daß dies alles Unterstellungen und Gerüchte sind, die Wir nicht glauben, mit denen Wir uns gleichwohl auseinandersetzen müssen, um den Frieden in der Stadt zu erhalten. Ist dies nicht auch dein Ziel, liebste Tochter?«
Hätte es in unserer Familie einen einzigen Mann von Ehre gegeben, er hätte diesen Pietro an seiner seidenen Dalmatika gepackt und ihn eigenhändig aus Raum und Palast geworfen. Oder er hätte den Dolch gezückt, um die Ehre des Beleidigten, der sich nicht mehr wehren konnte, zu rächen. Indes, in diesem Raum gab es vielleicht den einen oder anderen Dolch, doch keinen wirklichen Mann. Auch Crescentius sah sich nur hilflos nach seinen Adelsfreunden um, die abwartend reagierten: die einen insgeheim schadenfroh darüber, daß offensichtlich die Macht des Hauses Theophylactus gestürzt werden sollte, die anderen amüsiert wie über ein Schauspiel.
Und Alberico? Er schien aufspringen zu wollen. Tränen der Wut standen in seinen Augen. Ihm gegenüber die höhnischen Mienen der Prälaten, die vermutlich nicht allein an die Ungarn und an Agiltruds jüngsten Sohn dachten.
Marozia legte ihm die Hand auf den Arm und erwiderte dem Papst, zu meiner Überraschung und dem Erstaunen zahlreicher Anwesenden: »Ihr habt recht, Heiliger Vater, Frieden und Wohlergehen in der Stadt wie unter den Völkern Italiens sind mir wie Euch ein Anliegen. Und damit niemand glaubt, ich persönlich strebe die Herrschaft über Spoleto an, will ich gern auf die Vormundschaft verzichten, bis Alberico, der Sohn des untadeligen und ehrenhaften Markgrafen Alberich, nächstes Jahr volljährig wird. Bis dahin werden alle Gerüchte zerstreut und diejenigen, die sie böswillig in die Welt gesetzt haben, ihrer gerechten Strafe zugeführt sein.«
Sie klang beherrscht und zugleich berechnend, und sie hatte nun, so glaubte ich zumindest, die richtige Strategie gefunden, um der ungeheuerlichen Attacke des Pietro auszuweichen und ihr zugleich die Stirn zu
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