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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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elender Spürhund entdeckte mein Pergament, übergab es Pietro, der mich in die Katakomben der Hoffnungslosigkeit verbannte.«
    Ich unterbreche die Wiedergabe seiner Worte, weil sie mich von der Schilderung des Geschehens abhalten.
    Zögernd, unsere Katakomben der Hoffnungslosigkeit wie einst Persephone zu verlassen, rührte ich mich nicht.
    Marozia schaute ungläubig, dann quälte sie ein Lächeln hervor. »Viel Glück«, wünschte sie mir. »Geh, eile, bevor mir das Herz bricht!«
    »Soll ich …?«
    »Bitte kein Zaudern!«
    »Versprich mir …«
    »Ich verspreche es.«
    Sie wandte sich ab und zog die Decke über ihren Kopf.
    Ich wollte sie umarmen, doch hätte dies nicht nach Abschied ausgesehen?
    »Dein Fieber und die Krämpfe sind wie durch ein Wunder verschwunden, du hustest kaum noch«, rief ich ihr beschwörend zu. »Bleib am Leben, bis ich dich aus diesem Höllenort befreie!«
    Sie antwortete nicht.
    »Bis bald!«
    Sie blieb stumm und unter der Decke verborgen.
    Ein letztes Mal fuhr ich mit meinen Fingern über die Buchstaben meiner Losung – αταραξία  – und folgte Anastasius, der nun das Gloria in die endlos sich hinziehenden Gänge schmetterte, bis der erste helle Schein den Boden überflutete. Ich taumelte in eine Lichtwoge, wie Messer stachen die Strahlen der Sonne mir in die Augen. Anastasius warf mir ein Tuch über das Gesicht, als ich vor Schmerzen aufschrie.
    Vielleicht schrie ich auch vor Freude, noch am Leben zu sein.
    Wie eine Blinde führte er mich durch die lärmende Stadt, deren strenge Düfte mir wie balsamischer Wohlgeruch erschienen. Bald schon schmerzten meine Beine, die, dürr geworden, mich kaum tragen konnten.
    Endlich stand ich vor Alberico.
    Im gedämpften Licht des Tricliniums, in dem er mich empfing, brauchten meine Augen keinen Schutz mehr, doch waren sie unfähig, all die Eindrücke aufzunehmen, die auf mich einstürmten. Mir schwindelte. Alberico nahm meine Hände, schaute mich eine Weile lächelnd an, umarmte mich kurz und stellte mir dann den Mann vor, der in einem Mönchsgewand neben ihm stand.
    Geist und Sinne bewegten sich noch immer in quälender Langsamkeit.
    Alexandros im Mönchsgewand?
    Er ähnelte allerdings nicht den Mönchen aus dem byzantinischen Reich, war zu alt für meinen Sohn, war vielleicht zehn Jahre jünger als ich, bereits grau und würdig, liebenswert. Außerdem stand kein einfacher Mönch vor mir …
    »Abt Odo von Cluny wollte sich nicht von mir verabschieden, ohne dich begrüßt zu haben«, sagte Alberico.
    Fieberhaft überlegte ich, ob mir ein Abt Odo von Cluny bekannt sein mußte. Von Alexandros keine Rede. Der Abt streckte mir freundlich seinen Ring entgegen, ich beugte mich ehrerbietig darüber.
    »Er hat ein gutes Wort für meine Mutter eingelegt.«
    Abt Odo lächelte.
    »Wir sind allzumal Sünder, zitierte er die Bibel.«
    Abt Odo nickte nachsichtig.
    Alberico sprach hektisch, und doch zeigte sein ganzes Auftreten eine Selbstsicherheit, die ich nicht von ihm kannte. »Er soll die Oberaufsicht über das Kloster Sancta Maria erhalten, auch über Sanctus Paulus. Cluny wird zum Zentrum einer christlichen renovatio . Die Kirche ist zu weltlich und sündhaft geworden, der kleine Klerus ist verheiratet und zeugt Kinder, die Bischöfe umgeben sich mit Konkubinen, die Päpste treiben es offen mit ihren Geliebten, kirchliche Ämter werden gekauft von Männern, die nichts von Gottes Wort verstehen, nicht einmal Latein fehlerfrei sprechen, auf das kanonische Recht herabschauen. Abt Odo möchte mit seinen Mitbrüdern die Mißstände ändern: mehr Keuschheit, mehr Armut, Gottes Wort …«
    Alberich wandte sich an Abt Odo. »Habe ich das richtig wiedergegeben?«
    »Durchaus, Princeps, wir streben nach mehr apostolischer Reinheit.«
    »Er soll auch zwischen König Hugo und mir vermitteln.« Nervös fuhr sich Alberico durchs Haar und kratzte sich am Kopf. »Eine schwierige Aufgabe.«
    Ich stand vor den beiden Männern und wußte nicht, was ich sagen sollte. Im Grunde war ich noch nicht dort, wo ich mich befand. Ich vermochte Albericos Worten zu folgen, und zugleich hatte ich das Gefühl, er spräche in einem fremden Idiom. Kopf und Herz waren angefüllt mit der Sehnsucht nach meinem Sohn, den ich hier erwartet hatte; ich sorgte mich um Marozia, die ich allein im Kerker zurückgelassen hatte, und nun stand ein fremder Abt vor mir, Alberico hielt mir einen Vortrag über die renovatio der Kirche und die sündigen Päpste. Nein, ich verstand wirklich

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