Die heimliche Päpstin
hereinwehenden Duft des Flieders, im Gesang lebensfroher Vögel will ich den letzten Akt der Tragödie erzählen.
Pietro, unser schärfster Gegner, war tot, wir kehrten dem Leichenhaufen den Rücken zu und eilten nach Hause, auf den Aventin, wo die gesamte Familie mit ihren Freunden und Unterstützern den Sieg feierte. Im Lauf der Nacht erreichte uns die Nachricht, Papst Johannes habe sich im Lateranpalast verbarrikadiert, die Leibwachen hielten zu ihm, überhaupt sei im Volk eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Darüber, wer die Ungarn gerufen habe, ob sie überhaupt gerufen worden seien, gebe es geteilte Meinungen. Solange kein Verräter sie in die Stadt lasse, könnten sie zwar das Umland verwüsten, Rom selbst aber nichts anhaben. Außerdem, so war man überzeugt, würde Markgraf Wido von Tuszien, Marozias Gemahl, die Stadt ohnehin bald befreien.
Die Feier endete in einer allgemeinen Trunkenheit. Kurz darauf gab es einen erneuten Anlaß zum Feiern, denn Wido näherte sich wie erwartet mit einem Heer der römischen Campania, so daß die Ungarn, ohne eine Auseinandersetzung zu wagen, die Flucht ergriffen.
Die Stadt jubelte ihm zu, und auch Papst Johannes schickte ihm aus seinem befestigten Lateran eine Anzahl höchster Würdenträger entgegen, die ihm feierlich die Tore der Stadt öffneten, ihn aber zugleich baten, seine siegreiche Befreiungsarmee auf den Neronischen Feldern zu lassen, wo man sie mit allen Ehren bewirten und versorgen wolle. Der Wein werde fließen, fette Ochsen am Spieß braten und die römischen Jungfrauen in freizügiger Freude vor ihnen tanzen. Dabei zwinkerten die Würdenträger in ihren weißen, schwarzen und purpurnen Gewändern ihm zu, wie er uns bald darauf berichtete. Tatsächlich ließ Wido sein Heer vor den Mauern lagern, und die Männer durften in der ersten Nacht jeglichen Durst und Hunger kostenlos stillen.
Wido erschien auf dem Aventin mit einer kleinen, schlagkräftigen Leibwache, stolz, aber ernster als erwartet. Marozia umarmte ihn mit aller Inbrunst und zog ihn sogleich in ihre Privatgemächer. Während der nächsten Tage war nicht viel von den beiden zu sehen, und erst nach einer Weile luden sie alle befreundeten Adelsfamilien mitsamt den wichtigsten Prälaten zu einer Ehrenfeier für Wido ein.
Marozia hatte sogar Papst Johannes einladen wollen, Wido hatte diesen Wunsch jedoch mit einer Entschiedenheit zurückgewiesen, die wir von ihm nicht gewöhnt waren. Da Marozia in ihrer noch immer unübersehbaren Verliebtheit keinen Streit wünschte, gab sie ohne Diskussion nach.
Nur ein kleiner Teil der Eingeladenen aus dem Lateran und den Bischofspalästen erschien zu unserem Fest, was in Widos Einschätzung zeigte, daß der Papst noch keineswegs Pietros Tod überwunden habe und Marozia wie ihrer gesamten Familie grolle. Giovanni bestätigte allerdings nur den ersten Punkt: Der Heilige Vater verlasse selten seine Gemächer, trauere untröstlich um seinen Bruder und sei überhaupt von einer tiefmelancholischen Stimmung erfaßt. Er stehe in intensivem Schriftwechsel mit zahlreichen Bischöfen, zudem mit Abt Odo von Cluny – er selbst, Giovanni, schreibe die Briefe, in denen es um ein sündiges Leben und die Aussicht auf das himmlische Heil gehe, um Luxus in Bosheit und Betrug, unkeusche Taten in Hohn und Spott sowie um Armut in Barmherzigkeit und Menschenliebe.
»Vielleicht sollte ich ihn aufsuchen«, sagte Marozia. »Ich habe ihn immer gemocht, und nachdem Pietro sein gerechtes Schicksal ereilt hat, stellt er für uns keine Bedrohung mehr dar.«
Wido war gänzlich anderer Meinung. Er sah in Pietro noch immer den bloßen Handlanger und in Papst Johannes den eigentlichen Feind.
Während der folgenden Monate schien die Zeit den Atem anzuhalten. Das Volk von Rom wurde durch üppig gefeierte Heiligenfeste bei Laune gehalten, Alberico übte sich wie gewöhnlich im Fechten und Reiten und brach dann mit den treuen Veteranen seines Vaters zu einer längeren Wolfsjagd in die Sabiner Berge und zu einem Besuch in seinem Camerino auf. Giovanni, der sich fast ausschließlich im Lateranpalast aufhielt, wurde vom Papst zum protoscrinarius ernannt, zum Aufseher über die Schreibschulen der Kurie. Stolz berichtete er seiner Mutter, der Heilige Vater habe seine volltönende Stimme und seine makellose Schrift gelobt. »Jetzt hat er seinen Worten Taten folgen lassen«, erklärte er strahlend.
Seine Mutter gab ihm einen Kuß. »Ich habe es schon immer gewußt. Du bist mein Liebster. Du wirst
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