Die heimliche Päpstin
verstorbenen Papstes beendet, fand die Wahl des neuen pontifex maximus vor der Basilika des heiligen Petrus unter Beteiligung aller Parteien aus Klerus, Adel und Volk statt. Giovanni wurde vorgeschlagen, sofort durch lautstarke Akklamation angenommen. Es folgten das übliche habemus papam und die Ankündigung, Giovanni, der Sohn des der Zeitlichkeit entrückten Alberich, Markgraf von Camerino und Spoleto, Sohn der illustrissima senatrix ac vestaratrix Marozia, werde sich als Papst Johannes XI. nennen. Die Wahl des Namens klang wie Hohn.
Er wurde eingekleidet, trat vor seine römische Gemeinde und die anwesenden Pilger, hielt eine kurze Andacht und erteilte seinen Segen, ritt schließlich, in Purpur gekleidet und unter seiner Tiara, auf einem weißen Zelter von der Basilika des heiligen Petrus zu San Giovanni in Laterano, wo ihm die Mitra des Bischofs von Rom überreicht wurde. Kaum hatte die Prozession die Via Lata hinter sich gelassen, wurde Wein verteilt, dazu die üblichen Festspeisen, Feierjubel brach los und hielt mehrere Tage an. Die Mutter des Papstes und heimliche Päpstin hatte sich, wie erwartet, großzügig gezeigt, und in ihren Augen leuchtete kalter Triumph.
Daß bereits ein Bote unterwegs war, dessen Botschaft nur Unglück nach sich ziehen konnte, hatte sie geheimgehalten.
62
Nach Widos Tod und dem Verlust des Kindes war Marozia in bitterer Trauer versunken. Während sie die Inthronisation ihres geliebten ersten Sohnes betrieb, wirkte sie beherrscht, um nicht zu sagen: kalt. Doch umschreiben meine Worte nur unzureichend ihr Inneres, in dem sich eine eisige Verzweiflung auszubreiten schien, die Heil und Heilung suchte in noch größerer Macht und einem nicht zu übertreffenden Triumph.
Den Geheimboten schickte sie ohne meine Kenntnis nach Pavia, zu König Hugo, mit dem Angebot, ihr die Hand zum Ehebund zu reichen. Sie beide könnten auf diese Weise den Schmerz über die verblichenen Ehepartner überwinden – auch der Provencale hatte seine Gattin, Königin Alda, kurz zuvor verloren –, darüber hinaus ein politisches Bündnis schließen: König Hugo werde durch den neugewählten Papst Johannes XI. zum Kaiser gekrönt und garantiere seinerseits ihr, der zukünftigen Kaiserin, die Herrschaft über Rom. Auf diese Weise gestärkt, könnten sie beide danach streben, die italischen Lande zu einen, und endlich wieder ein mächtiges Kaisertum schaffen.
Als ich, zusammen mit Alberico und unserem jungen Papst, von der Geheimbotschaft und Hugos erfreuter Antwort erfuhr, verschlug es mir die Sprache. Marozia wollte den bisherigen politischen Gegner heiraten, den ihr unbekannten Halbbruder ihres erst kurz zuvor verstorbenen Gatten! Ich schaute Alberico und Giovanni an, die nicht minder verdutzt, wenn nicht gar schockiert reagierten.
»Ich bin noch immer nicht offiziell zum Markgrafen von Spoleto ernannt, wie versprochen«, sagte Alberico schließlich stockend zu ihr, voll unterdrücktem Zorn, »und du willst diesen … Provencalen heiraten.«
»Vielleicht ist es ein einäugiger Krüppel«, schob Giovanni ein.
»Oder ein beschränkter Trunkenbold.«
Marozia wischte die Einwände ihrer Söhne beiseite. »Glaubt ihr etwa, der Bruder eures ehemaligen Stiefvaters könnte ein verkrüppelter Trunkenbold sein? Er wurde vom« – sie suchte nach einem passenden Wort – »verstorbenen Papst Johannes X. und einer großen Anhängerschar im Norden zum König gewählt! Nach allem, was ich gehört habe, muß er von wahrhaft königlicher Statur sein. Seine Klugheit und Weitsicht werden gerühmt …«
»Von wem?« warf Alberico ein.
Seine Mutter überhörte seine Frage. »Außerdem denke ich weiter. Schon immer habe ich davon geträumt, Italien unter Roms Führung zu einen. Mittlerweile ist mein ältester Sohn Papst geworden, wir herrschen über Spoleto …«
»Wer ist wir?« – unterbrach sie Alberico erneut, diesmal schärfer im Ton.
»Da Tuszien nicht mehr an einer Allianz mit Rom interessiert zu sein scheint, sehe ich mich ohnehin gezwungen, mir andere Verbündete zu suchen. Wir müssen zudem daran denken, daß jederzeit die Ungarn und die Sarazenen wieder einfallen können. Rom braucht einen starken Arm.«
Giovanni schaute unsicher seinen Bruder an, der seine Fäuste ballte. »Was sagst du dazu?« preßte er hervor, sich an mich wendend.
Da ich erst in diesem Augenblick von Marozia über ihren Plan informiert worden war, spürte ich mein Vertrauen in sie vereisen. Doch im Augenblick galt es, Gefühle
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