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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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der junge und mächtige Wido, der Vater des werdenden Kindes, lag mit verdrehten Augen und offenem Mund auf seinen Kissen und atmete nicht mehr. Rasch schloß ich ihm die Lider und drückte die Kiefer zusammen.
    Marozia schrie erneut, hilflos und wütend zugleich. Sie warf sich auf Wido, riß ihn empor, schüttelte ihn, doch ihr Gemahl blieb stumm und tot. Zögernd ließ sie ihn zurücksinken und blieb in erstickter Verzweiflung auf ihm liegen.
    Noch in der folgenden Nacht verlor sie ihr Kind.
    61
    Der Tag neigt sich dem Ende zu; draußen im Park herrscht ein Vögelkonzert, das jedes andere Geräusch übertönt. Auf zahlreichen Zweigen sitzen unsere fröhlichen Freunde und preisen Gott. Andere jagen sich oder spielen, verstecken sich oder bauen ihre Nester. Auch die Nachtigallen haben bereits begonnen, zu singen und zu flöten, zu schlagen und zu schluchzen. Ein tränentreibender Schmelz liegt in ihrer Stimme, als wüßten sie um meine Stimmung.
    Ich fühlte mit meiner Mariuccia, die vom Schicksal zwei so harte Schläge einstecken mußte. Sie betrachtete Widos Tod und den Verlust des Kindes als Strafe Gottes für den Mord an Papst Johannes, obwohl sie ihn nicht zu verantworten hatte, begann zu fiebern und konnte sich kaum auf den Beinen halten.
    Doch vorerst mußte die Totenfeier für Wido überstanden werden. Zu ihr war sein Bruder Lambert erschienen, ein kräftiger junger Mann mit knappen Gesten und keinem Wort zuviel. Marozia hatte ihn, dem sie zuvor nie begegnet war, in trauernder Freundlichkeit empfangen, doch Lambert blieb reserviert. Vielleicht fühlte er sich auch nur unwohl in der fremden Stadt, über die er sicher viel, aber vermutlich wenig Gutes gehört hatte.
    Vor seiner Rückreise wünschte er, seinen Bruder nach Lucca zu überführen und von Papst Stephan als Widos Nachfolger und Markgraf von Tuszien bestätigt zu werden. Marozia, bereits fiebernd und von der Trauer zunehmend überwältigt, so daß sie kaum einen klaren Gedanken fassen konnte, lehnte den einen Wunsch ab und wollte den anderen aufgeschoben wissen.
    Lambert war nicht der Mann, der sich abspeisen ließ. Er war zornig, wurde sogar so wütend, daß er Marozia machtgierige Schlampe nannte und damit drohte, sich mit Hilfe der tuszischen Truppen kurzerhand der Überreste des Bruders zu bemächtigen. Zudem kündigte er seine Unterstützung Roms auf, falls er nicht unverzüglich als Markgraf bestätigt würde.
    Ich bin mir nicht sicher, ob Marozia in ihrem Zustand das böse und hauptsächlich im Tuszischen gebräuchliche Wort Schlampe verstanden hatte. Auf jeden Fall reagierte sie nicht darauf. Wir alle rieten ihr, Lambert nachzugeben – schon deshalb, weil er im Recht war und weil wir machtpolitisch über Widos Tod hinausdenken mußten. Schließlich gab sie nach, Papst Stephan stellte Lambert die Urkunde aus und bestätigte ihn in einer bescheidenen Zeremonie als Markgraf von Tuszien, Widos Sarkophag wurde auf einen Ochsenkarren geladen, und Lambert zog mitsamt den tuszischen Truppen und ihrem angeschwollenen Troß voller Ehefrauen und Kindern nach Norden ab.
    Der einzige, der in Rom jetzt noch über eine nennenswerte Anzahl von Soldaten befehligte, war Alberico. Allerdings trugen die meisten dieser Soldaten bereits graue Bärte und gerundete Bäuche, tranken viel Wein und schwelgten in Erinnerungen an die großen Zeiten unter Alberich dem Ersten und seinem Sieg über die Sarazenen.
    Marozias Fieber stieg unaufhörlich: Es war nicht das gewohnte Viertagesfieber, das aus den mephitischen Ausdünstungen des Tibers hervorsteigt, sondern mußte mit der Fehlgeburt zusammenhängen, denn es war von gräßlichen Schmerzen im Unterleib begleitet, die lange Zeit nicht nachlassen wollten.
    Ich befürchtete, Marozia würde uns verlassen, und versammelte die Kinder um ihr Lager. Auch Konstantin, der unterdessen zum jüngsten Abt des Klosters Farfa gewählt worden war, hatte sich nach Rom rufen lassen. Er blickte mit ungerührter Kälte auf seine Mutter, faltete schließlich die Hände und schloß die Augen, ohne daß sich seine Lippen bewegten.
    Seine Schwester Berta, deren durchscheinende Schönheit im Verborgenen erblüht war, drückte sich an mich. Ich strich ihr über die Haare wie einem kleinen Kind und reichte ihr ein Tüchlein, damit sie sich hineinschneuzen konnte. Während der letzten Monate hatte sie abwechselnd den Wunsch geäußert, in ein Kloster einzutreten, möglichst weit weg von Rom einen freundlichen Herzog zu heiraten oder mit mir nach

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