Die heimliche Päpstin
mit Gewalt zu nehmen.
Bevor Hugo nach Pavia aufbrach, reisten wir nach Rom ab. Hochzeit und Krönung waren für Weihnachten des Jahres 932 festgelegt. Bis dahin mußte Marozia von ihrem Papstsohn eine Dispens für die Heirat einholen. Außerdem sollten Gesandtschaften in jede Region Italiens geschickt werden, darüber hinaus zum byzantinischen Kaiser, dem ost- wie westfränkischen König: Alle wurden eingeladen, einer Kaiserkrönung beizuwohnen, die ein neues Zeitalter, so schwärmte Hugo, einleiten werde.
Auf dem Weg nach Rom schlug ich Marozia vor, sie möge der Gesandtschaft nach Konstantinopel einen weiteren Auftrag mit auf den Weg geben: den Vorschlag nämlich, Berta, ihre jüngste Tochter, mit dem Kaisersohn Stephanos Lekapenos zu verheiraten, um die Bande zwischen Rom und Byzanz zu festigen. Marozia war sich eine Weile unsicher, ob die junge Berta dieser Aufgabe gewachsen sei. »Außerdem ist sie zu dürr. Du weißt doch, daß Männer Rundungen lieben. Nein, du weißt es nicht, aber ich sage es dir: Wenn sie schwellende Formen sehen, dann schwillt auch ihr … Kamm.«
»Dann müssen wir Berta eben ein wenig füttern«, sagte ich kühl.
Marozia nickte und fand unversehens meinen Vorschlag großartig. Rom und Byzanz auf gleicher Augenhöhe – dies war tatsächliche eine einzigartige Aussicht.
Ich selbst hatte dabei, ich muß es gestehen, einen Hintergedanken. Die wenngleich geringe Hoffnung, meinen Sohn auf diese Weise wiederzusehen, trieb mich. Daß er sogar die byzantinische Gesandtschaft begleiten könnte, wagte ich mir gar nicht vorzustellen, zu unwahrscheinlich war es. Ich hätte indes Berta nach Konstantinopel begleiten können, um sie in ihre neue Heimat einzuführen. In Rom wie in Byzanz wäre ich dann die Vertraute einer Kaiserin gewesen – für eine Sklavin ein Aufstieg, der einem gerechteren Gott zur Ehre gereicht hätte.
Nun ist es anders gekommen. Ich hatte Marozia Hybris vorgeworfen, als sie plante, mit Hilfe einer dritten Ehe Kaiserin zu werden. Hätte ich mir nicht auch selbst Hybris vorwerfen müssen? Ich wußte von Euthymides, daß die griechischen Götter alle Verfehlungen verzeihen konnten, nur eine Verfehlung gnadenlos straften: Wenn die Sterblichen sie in überheblichem Größenwahn herausforderten. Tantalos, Sisyphos und Prometheus waren Zeugen und abschreckende Beispiele.
Nun würde es mir wie ihnen ergehen.
65
Bevor König Hugo mit seinem Heer im Spätherbst 932 vor Rom erschien, hatte Marozia Hochzeit wie Kaiserkrönung vorbereitet. Bedauerlicherweise hatten nur wenige Fürsten und Könige ihr Kommen angekündigt, nicht einmal eine große Anzahl von Erzbischöfen und kirchlichen Würdenträgern wollte erscheinen. Zu sehr roch die Heirat nach Inzest, und zu anrüchig war überdies, daß der junge Papst Johannes XI. den Stuhl Petri allein durch Marozias Gnaden erklommen hatte. Daß dieser Nachfolger des heiligen Petrus zudem der illegitime Sproß eines anderen Papstes war, erhöhte weder sein Ansehen noch das Ansehen seiner Mutter, die zudem ihre dritte Ehe eingehen wollte – was ihren fragwürdigen Ruf bei den Kirchenfürsten verfestigte. Auch hatte König Hugos brutales Vorgehen gegen Lambert ihm keine Freunde geschaffen, höchstens die Angst vor ihm geschürt.
Und nun sollte die Hochzeitsfeier sogar in einer Gruft stattfinden!
Ja, im Grabmal des altrömischen Kaisers Hadrian, dessen Porphyrsarg noch immer im Zentrum der gewaltigen Mauerringe vor sich hin dämmerte. Unter dem gezückten Schwert von Erzengel Michael, der einst Luzifer in die Hölle gestürzt hatte und dessen Aufgabe es war, den Antichristen zu vernichten.
Ich empfand es von Anfang an als eine vermessene Herausforderung der göttlichen Ordnung, daß das Paar seine Vermählung in der Engelsburg ausrichten ließ, ja, sogar die eheliche Vereinigung in der Nachbarschaft des Sarkophags von Kaiser Hadrian zu begehen beabsichtigte. War dies nicht Grabschändung? Bedeutete dies nicht eine abartige Lust an kühler, düsterer Todesnähe? Und forderte die Vereinigung nicht das Eingreifen des schwertschwingenden Erzengels geradezu heraus?
Marozia begründete ihren Entschluß mit Hugos Sicherheitsbedenken. Der König sei sich der Zuneigung des römischen Adels und Volks nicht sicher, erklärte sie, nur das ehemalige Grabmal eines Kaisers und die jetzige Burg der Päpste mit ihren unüberwindbaren Mauern verschaffe ihm in seinen Augen ausreichend Schutz. Es sei ihr nicht gelungen, ihn davon zu überzeugen, daß Rom
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