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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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Häusern, den Schenken, Pilgerherbergen, Klöstern und Hospitälern der Leostadt versteckte sich die Basilika des heiligen Petrus. Ein Mann, der in einem Ruderboot den Fluß hinuntertrieb, winkte uns zu. Ich weiß nicht, ob er mich oder Anastasius meinte, ich erkannte sein Gesicht nicht. Hinter ihm, am jenseitigen Ufer des Tiber, erhoben sich die Ruinen der Aurelianischen Mauer und verdeckten unseren alten Garten, der bis zum Haus an der Via Lata reichte.
    »Martinus! Alexandros!« flüsterte ich aufschluchzend, und mein Blick suchte die Tiefe des gleißenden Himmels. »Herr, erlöse mich bald.«
    »Komm!« sagte Anastasius. In seinem Gesicht stand tiefes Mitleid.
    Langsam führte er mich an neugierig schauenden Wachen vorbei zu dem Gang, der hinabführte. Immer tiefer schienen wir uns in den Gewölben der Gruft zu verlieren, bis wir endlich die letzte Katakombe erreichten. Umständlich öffnete Anastasius mit seinem großen Schlüssel das Schloß, dann schob er die Riegel zurück, und mit lautem Stöhnen öffnete sich die Kerkertür.
    Schon lag mir Marozia in den Armen.
    »Kommst du tatsächlich zurück?«
    »Hast du etwas anderes erwartet?«
    »Nein.«
    »Es fällt leichter, gemeinsam zu sterben. Wir bleiben für ewig zusammen.«
    Sie brauchte darauf nichts mehr zu antworten. Vor der letzten Wahrheit verstummen die Worte.
    Anastasius räusperte sich.
    »Laß uns allein!« rief ihm Marozia zu.
    »Was werdet ihr jetzt tun?«
    Wir lösten uns voneinander, und ich drehte mich um.
    »Wir werden sterben«, antwortete Marozia. Es sollte wie ein Scherz klingen, sie lachte dabei. »Das weißt du doch. Du kannst deinen Enkeln davon erzählen, daß du der letzte warst, der uns lebend sah.«
    »Ich habe keine Enkel.«
    »Schade für dich.«
    Alles Trübe, Melancholische schien von Marozia abzufallen.
    Wir schauten ihn abwartend an.
    Aber er ließ uns nicht allein.
    »Genug des grausamen Spiels. Mir war es so aufgetragen.« Anastasius lächelte geheimnisvoll.
    »Läßt uns Alberico frei?« An Marozias Jubelschrei erkannte ich, daß sie mit ihrem Leben doch noch nicht abgeschlossen hatte.
    »Ich soll euch an einen anderen Ort überführen. Gehen wir!«
    In solchen Augenblicken sagt man verrückte Dinge.
    »Willst du dich nicht von den Ratten verabschieden?« fragte ich Marozia.
    »Sie haben sich heute nicht sehen lassen, als ahnten sie, was geschehen würde. Ihnen fällt der Abschied nicht leicht. Sie werden sich ohne uns langweilen.«
    Ich lachte und strich mit meinen Fingern langsam und regelrecht zärtlich über die Wand, folgte den Buchstaben nach, die allen zukünftigen Generationen von Gefangenen eine Botschaft sein sollten: αταραξία .
    »Gehen wir!« sagte Marozia.
    Hinter uns fiel die Kerkertür dumpf ins Schloß.
    67
    Anastasius brachte uns zu einem kleinen Gebäude in den vatikanischen Gärten und erklärte, dies sei unser neues Heim. Da die Gefahr bestünde, die senatrix könnte sich erneut mit König Hugo vereinen und womöglich gegen ihren Sohn intrigieren, dürfe sie ihr Haus nur zu kurzen Spaziergängen im Garten verlassen, weder Besuch empfangen noch Botschaften senden oder erhalten. Diese Anordnung lasse Princeps Alberich ihr ausrichten, er, Anastasius, gebe nur die Stimme seines Herrn wieder.
    »Also Hausarrest«, sagte Marozia, die Lider zu schmalen Schlitzen zusammengepreßt und noch immer halb blind von der Helligkeit des Tages.
    »So kann man es sagen.«
    Kaum hatte Anastasius uns verlassen, begann sie zu weinen – vor Erschöpfung und Enttäuschung.
    Sie brauchte Tage, bis sie sich an das Licht des Frühlings gewöhnt hatte, schlief nächtelang kaum und beklagte, daß sie noch immer ein Auf und Ab von Hoffen und Verzweifeln und die Qual der Scham ertragen müsse. »Warum hat mich der Herr nicht längst abberufen!«
    »Vielleicht müßtest du dann eine andere Qual ertragen: das Höllenfeuer«, sagte ich, ohne auf ihren düsteren Ton einzugehen.
    Sie setzte sich in den kühlen Morgenstunden vor unsere Tür, unter eine Schirmpinie, und lauschte dem vielfältigen Vogelkonzert, das uns umgab. Ich beobachtete sie. Sie hatte die Augen geschlossen und sog wie verklärt den Duft ein, den die blühenden Sträucher verströmten. Zugleich ließ sie die Finger über Wangen, Lippen, Kinn und Hals gleiten.
    Als ich mich neben ihr niederließ, flüsterte sie: »Die Gerüche sind betäubend, aber meine Haut ist tot. Ich spüre nicht einmal das Echo der Lust, und vor meinen Erinnerungen fürchte ich mich.«
    Sie

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