Die heimliche Päpstin
derartig forschend an, daß ich unwillkürlich einen Schritt zurückwich. »Ich heiße Theodora, wie eine eurer ehemaligen Kaiserinnen, stamme aus tuszischem Geschlecht und bin vor kurzem mit Senator Theophylactus, einem Mann aus höchstem römischen Adel, vermählt worden. Ich sehe mich in deinen Augen gespiegelt – wie eine Schwester.«
Heute vermag ich ihre Worte besser in ihrem Wahrheitsgehalt oder in ihrer prophetischen Bedeutung einzuschätzen, doch damals dachte ich: Ich habe zwar braune Augen wie du, aber meine Brauen sind voll und buschig, und mein Blick ist nicht so kalt.
Mich hatte sofort die Mitleidlosigkeit in ihrem Blick getroffen, obschon normalerweise braune Augen weich und verständnisvoll wirken. Oder war es Hochmut? Die Starrheit eines Basiliskenblicks? Die Neugier der Sphinx, die sich ein neues Opfer auserkoren hat?
Je länger ich darüber nachdenke, desto deutlicher schält sich Theodoras Antlitz mit den beiden forschenden Augen aus dem Nebel der Vergangenheit. Gleichwohl, kann es nicht sein, daß sich der Blick einer späteren Theodora vorschiebt und die frühe überlagert? Daß mir eine Theodora vor Augen tritt, die von der bevorstehenden Hochzeit Marozias spricht und Alexandros erwähnt: mit einem Blick, der von der Kälte eines eisernen Willens geprägt ist?
Noch am Abend machte mich Sergius zu seiner Geliebten. Oder sollte ich Bettsklavin sagen? Ich denke, er wollte mir ein für allemal klarmachen, daß ich eine, seine Sklavin sei und er der Herr über Leben und Tod. Ich mußte mich entkleiden, und er fiel über mich her wie ein ausgehungerter Wolf, der bereits nach wenigen Augenblicken laut schnaufte, stöhnte, sich aufbäumte und bald darauf zusammenschnurrend zur Seite wälzte. Er wollte etwas sagen, unterließ es jedoch.
Ich betrachtete seinen schlanken, muskulösen Körper, der noch keine Spuren des Verfalls zeigte. Seine kräftige Bauernhand, die im auffallenden Gegensatz zu seinem feingeschnittenen Gesicht stand, wanderte über meine Brüste, zugleich kniff er die Lippen in unterdrücktem Zorn zusammen. Ich folgte seiner Hand, als sei es etwas Fremdes, was er berührte, spürte nichts. Schließlich befahl er mir, mich auf seinen Unterleib zu setzen. Nach einer Weile wuchs er mir entgegen, zog meinen Oberkörper zu sich heran und flüsterte mir ins Ohr: »Gib mir die Sporen!«
Bevor ich reagieren konnte, schwand er bereits wieder unter mir wie ein Regenwurm im Wüstensand.
»Du bist tot«, preßte er hervor.
Ich reagierte nicht, obwohl ich innerlich erschrak. Seine Worte klangen, als wolle er sagen: ›Du wirst nicht lange leben.‹
Er stieß mich von sich und zwang mich dann zu der Haltung von Hengst und Stute, wurde grob, bis ich die ersten Schmerzenslaute ausstieß, die er vielleicht für Laute der Lust hielt – ich selbst wußte nicht, wie Laute weiblicher Lust klingen, zumindest nicht die meiner eigenen Lust, die ich nie habe empfinden können.
Mir ging es im Haus von Diaconus Sergius nicht schlecht, und ich will ihn, trotz allem, was später geschehen sollte, nicht verdammen. Ich blieb seine wichtigste Bettgenossin – außer mir gab es noch eine hüftstarke, grobknochige Sklavin aus dem fernen Slawenland, mit der ich leider kaum sprechen konnte, weil sie nur drei Worte Latein sprach und in einem anderen Trakt des Hauses untergebracht war. Als sie schwanger wurde, verschwand sie spurlos, und niemand konnte oder wollte mir sagen, was mir ihr geschehen war.
Ich fragte Sergius, ob er nicht ein Buch eines altrömischen oder griechischen Dichters besitze. Er gab mir die Bibel und befahl mir eines Abends, während er uns rotfunkelnden Wein vorsetzen ließ, das Hohelied Salomos zu lesen. Manche Stellen weiß ich in Griechisch auswendig, und so ergänzte ich das Latein mit den melodischer und weicher klingenden Lauten meiner Muttersprache.
Sergius seufzte und erklärte mir, als Mann der Kirche, der Papst zu werden beabsichtige, dürfe er nie in den Stand der Ehe treten, und für die sündige Liebe mit Sklavinnen und Kurtisanen müsse er Buße zahlen. Zum Glück sei er reich genug. Kinder seien ihm ebenso verwehrt, es sei denn, er verstecke sie. »Eigentlich liebe ich Kinder – und verstehe in der Tiefe meines Herzens das Zölibatsgebot auch nicht. War nicht sogar der heilige Petrus, auf dessen Fels wir unsere Kirche bauen, verheiratet? Und sprach nicht Gott der Herr: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.«
Er
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