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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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Länder ein Schiff, und wir segelten die Küste entlang bis nach Portus, wo wir in ein kleineres Schiff umstiegen und den Tiber hinauf nach Rom gerudert wurden.
    So gelangte ich zu dem Mann, der mein weiteres Schicksal bestimmen sollte: zu Diaconus Sergius aus altem römischen Adel, der in einem Palast an der Via Lata residierte. Er war damals Ende dreißig, mit seltsam blaßgrauen, verschatteten Augen und einer feingeschnittenen Nase und schmalen Lippen, ein jagdversessener, ehrgeiziger Mann, der, wie sich rasch herausstellte, das Papstamt anstrebte. Er gehörte zu der Gruppe angesehener Familien, die im Viertel um die Via Lata wohnten und die den Verfall der fränkischen Oberherrschaft, die anarchischen Zustände in Rom und die Schwäche der kurialen Spitze nutzen wollten, um die Macht in der ewigen Stadt unter sich aufzuteilen und die Besetzung der höchsten Kirchenämter zu steuern, wenn nicht gar selbst zu übernehmen. Zu seinen Freunden zählte die Familie des unweit wohnenden römischen Senators Theophylactus, dessen Gattin Theodora ich bald kennenlernen sollte.
    Die Tinte in der Schreibfeder trocknete ein, als meine Bewegungen stockten und ich zu sinnieren begann über die Jahre, die so weit zurückliegen. Wieviel Wasser, sauberes und verseuchtes, ist unterdessen den Tiber heruntergeflossen und hat an manchen Tagen Teile der Stadt überschwemmt, dabei Unrat hinweggespült und die Ratten an die Oberfläche kommen lassen! Wie viele Erinnerungskadaver verschwanden für ewig, hinweggetragen und versunken in den trüben Fluten der Zeit!
    Marozia unterbrach ihre Kratzwut, durch die sie ihre verschmutzte Haut malträtiert, und stöhnte: »Ich ertrage das Jucken nicht mehr, überall Aussatz und Krätze, die Haare fallen mir aus, und der Gestank macht mich verrückt! Alberico begräbt uns lebendig!«
    Ich nahm liebevoll ihre Hand, mit der sie blutige Striemen über ihre Haut zog, und drückte sie an meine Lippen.
    »Wie kannst du unter diesen Bedingungen nur so viel schreiben!« Über mich gebeugt, fuhr Marozia mit ihrem langen Fingernagel die Rundungen der griechischen Buchstaben nach.
    »Ich habe begonnen, die Erinnerungen an mein Leben festzuhalten.«
    »Wirklich? Du mußt mir alles vorlesen und übersetzen.« Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter und flüsterte: »Du bist so klug, so stark, so unerschütterlich. Du kannst verzeihen, klagst nicht, nimmst das Schicksal hin …«
    Mit sorgfältigen Bewegungen schob ich die verrutschten Pergamentseiten zusammen.
    »Ich dagegen«, fuhr sie fort, »mußte so viele Menschen hassen, obwohl ich sie im Grunde lieben wollte … Glaubst du, daß Alberico deine Aufzeichnungen lesen wird?«
    »Könnte es nicht sein, daß sie dereinst zu Alexandros gelangen?«
    Marozia richtete sich auf. »Ach, darauf hoffst du!«
    »Bücher haben ihre Schicksale.«
    »Die meisten werden ein Raub der Flammen. Hast du mir nicht selbst vom Brand der großen Bibliothek in Alexandria erzählt?«
    »Einige bleiben wie durch ein Wunder verschont. Sie dürfen ihr Wissen weitergeben an zukünftige Generationen.«
    9
    Diaconus Sergius war stolz, mich erworben zu haben. Er lud noch in den ersten Tagen seine Adelsfreunde ein und führte mich vor: Ich mußte von Konstantinopel erzählen, von unserer Villa und der Tätigkeit meines Vaters, ich sollte die Verse Homers deklamieren und schließlich singen. Am liebsten hätte mich Sergius unbekleidet gezeigt, doch angesichts der zahlreichen Frauen und jungen Mädchen unterließ er es. Vielleicht kümmerte ihn auch weniger die Scham der Frauen als der neidische Blick der Männer. Als ich mich verabschieden durfte, näherte sich mir eine etwa gleichaltrige Frau und fragte mich flüsternd, ob ich bereits ein Kind auf die Welt gebracht hätte.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Und was geschah, nachdem man euer Schiff gekapert hatte? Keine Folgen?« Sie flüsterte noch immer.
    »Ich will es vergessen«, antwortete ich leise, mit gesenktem Blick.
    »Schau mich an!«
    Ich zögerte, doch dann verließ mich meine Scheu, obwohl ich merkte, daß der Diaconus uns beide beobachtete. Zwei weit geöffnete, braune Augen unter schmalen, rasierten Brauen fixierten mich. Ich wich ihnen aus und studierte die anmutig geschwungenen Lippen, die leicht spöttisch zu lächeln schienen. Unter den Ohren bewegte sich ein feines Schmetterlingsgehänge aus Gold. Die Haare formten, von einem durchsichtigen Schleier bedeckt, einen Schneckenkranz hinter dem Kopf.
    Noch immer blickte sie mich

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