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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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noch ein Kind, das sich nach der Mutterbrust sehnte. Erneut wollte ich seine Hand ergreifen, doch er wich zurück, wandte sich abrupt ab und winkte seinen Begleitern. Er hatte unsere Zelle bereits verlassen, als ich ihm nachrief: »Du mußt ihn von mir grüßen. Sag ihm, daß ich lebe, daß er in Rom bleiben soll …«
    »Ich will sehen, was sich machen läßt«, hörte ich durch die sich schließende Tür.
    12
    Was wir befürchtet hatten, war ebenso eingetreten wie das, was wir erhofft hatten, aber nicht wirklich zu glauben wagten. Ich starrte auf die Buchstaben αταραξία , die der Schimmel bereits wieder zu überwuchern drohte, kratzte sie frei, als könnten sie so ihre magische Wirkung erhöhen – denn meine Gemütslage war keineswegs ruhig. Ich fühlte mich von widerstreitenden Kräften zerrissen: von der Liebe zu meiner Mariuccia, die mich zum Hierbleiben nötigte, der Sehnsucht nach meinem Sohn und der Freiheit, die auf Erfüllung drängte.
    »Wieso hast du gesagt: ›Sag ihm, daß ich noch lebe‹, und nicht ›daß wir noch leben‹?« Marozias Stimme war so schneidend, daß ich unwillkürlich zusammenzuckte, als hätte sie mich bei einer Unrechtstat ertappt.
    »Kannst du dir das nicht denken? Du weißt doch, wie wütend Alberico auf dich ist – er wird dir keinen Gefallen erweisen wollen, mir dagegen schon, zumal ihn ein schlechtes Gewissen plagt, weil er mich einsperrt.«
    Ein kurzer Blick auf Marozia zeigte mir, daß sie mir nicht glaubte.
    »Alexandros ist unsere Chance«, fügte ich an.
    Sie reagierte nicht.
    »Käme Alberico auf den Gedanken, du könntest Alexandros lieben, würde er ihn unter einem Vorwand aus der Stadt schicken …«
    Marozias Gesicht verzerrte sich vor zorniger Verachtung.
    Lange Zeit herrschte Schweigen in unserem Verlies. Nur unser Atem ging schwer, unterbrochen von ihrem Husten. »Du solltest endlich Albericos Angebot folgen«, sagte sie, während sie sich die schmerzende Brust hielt.
    Verletzt schwieg ich. Es herrschte eine böse, ja, vergiftete Atmosphäre. Rettung, so dachte ich, gibt es für uns beide nur, wenn wir, gestützt durch unsere Liebe, gemeinsam durchhalten.
    »Habe ich dich in deinem Leben jemals allein gelassen?« fragte ich schließlich, das Beben meiner Stimme mühsam unterdrückend. »Wie du weißt, wurde ich nicht als Sklavin geboren.«
    »Es ist alles so sinnlos«, seufzte sie.
    Beide vermieden wir, daß sich unsere Blicke trafen. Der feuchtkalte und ungezieferverseuchte Kerker zerstörte nicht nur unsere Gesundheit, wie ich an dem Blut feststellen konnte, das Marozia gelegentlich auswarf, er zerstörte auch unser Vertrauen, unsere Liebe und zersetzte meine Lebensbejahung, den Glauben an das Gute, das in jedem Menschen vorhanden ist.
    Ich nahm die Pergamentseiten und überflog das bisher Geschriebene. Tatsächlich durchströmte mich eine unerwartete Wärme. Den Verlust der Eltern, der Jungfräulichkeit und der Freiheit hatte ich schwer verletzt überlebt. Aber meine Seele hatte, wie von Epiktet vorausgesagt, nur wenig Schaden genommen und sich rascher erholt, als ich es glauben wollte. Als müßte das Schicksal einen Ausgleich schaffen für die Verluste, umgab es mich nach kurzer Zeit erneut mit Luxus. Ich vergaß die Demütigungen meines Körpers und freute mich an dem Leben, das in mir wuchs. Die Freude hielt an: Mit nur geringen, heute längst vergessenen Schmerzen gebar ich einen Jungen, der, so glaubte ich zumindest, seinem Vater nicht ähnelte. Theodora folgte mir und brachte, ebenfalls ohne Schwierigkeiten, ein Mädchen zur Welt, so daß ich zwei Kinder in den Armen halten durfte. Glücklich schmatzend lagen sie an meiner Brust, während neben mir Theophylactus und Theodora knieten, als wären sie die Weisen aus dem Morgenland. Einer fehlte, zum Glück: Diaconus Sergius, der Mann, der hoffte, bald Papst zu werden.
    Ich erinnere kaum noch Einzelheiten aus jenen Jahren, nur dieses fast schmerzhaft intensive Glückgefühl, während ich die beiden Kinder stillte und auf ihre Härchen pustete.
    »Du warst von Geburt an ein hübsches Kind«, sagte ich. »Sonnig, zufrieden, hellwach, gesund. Sobald es etwas zu trinken gab, strahltest du. Wurdest du gestreichelt oder bewegten wir deine Ärmchen und Beinchen, krähtest du vor Freude. Alle im Haus beteten dich an.«
    Marozia wendete sich mir zu: Zuerst skeptisch, dann milder gestimmt. »Und wie war Alexandros?« fragte sie, während sich ihr Antlitz verklärte.
    »Stiller als du, zurückhaltender. Er

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