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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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von Kinderlachen erhellten Jahre, erinnere die Gespräche, die Theodora mit mir führte. Sie wußte meine Bildung und meinen im Denken geübten Verstand, meine Beobachtungsgabe und Urteilsfähigkeit zu schätzen. Theodora brannte vor Ehrgeiz. Sie sah das ränkereiche und ehrlose, unfromme, aber machtgierige Getriebe in Kurie und Adel: Senatorentitel wurden von Familie zu Familie vererbt, ohne daß sie irgendwelche Bedeutung hatten, eine Stadtverwaltung fand praktisch nicht statt. Sie durchschaute die Kämpfe zwischen den Anhängern des Sergius und und den Anhängern des Formosus, die beide den Papsttitel und damit die Herrschaft in Rom anstrebten, und sie verschloß nicht die Augen vor der Anarchie, die in Italien herrschte, und gerade deswegen sah sie ihre Chance. Das Haupt eines Adelshaushalts in der unkrautüberwucherten Hauptstadt verfallender Ruinen zu sein genügte ihr nicht. Ihre ägyptisch geschminkten Augen richteten sich auf höhere Ziele.
    Die Sarazenen hatten fast ganz Sizilien erobert und sich, wie ich bereits gesehen hatte, am Garigliano, zwischen Rom und Neapel, ein festes Lager geschaffen, von wo aus sie die Ländereien südlich der ewigen Stadt ausraubten, die Klöster von Subiaco, Farfa, Monte Cassino bedrohten oder sogar in Brand steckten. Fünfzig Jahre zuvor hatten sie das Viertel um die Basilika des heiligen Petrus und die Kirche selbst geplündert und Rom direkt bedroht. Der damalige Papst Leo hatte eine Mauer um das vatikanische Viertel bauen lassen und die Aurelianische Mauer instand gesetzt, aber die Bedrohung blieb. Immer wieder tauchten die Sarazenen im Umland auf, so daß die Römer befürchten mußten, wie einst von den Vandalen und Goten erobert und gebrandschatzt zu werden.
    »Warum wehren wir uns nicht?« fragte Theodora ihren Mann erregt, als, wie häufig, die Nachricht überbracht wurde, daß eine ihrer Domänen mit einem angrenzenden Kloster niedergebrannt worden sei, die Männer ermordet, die Frauen vergewaltigt und mitsamt den Kindern, dem Vieh und den Reliquienschätzen verschleppt worden seien. »Warum ruft der Papst nicht zum Kreuzzug gegen die Ungläubigen auf italischem Boden auf? Warum verbündet sich die Stadt nicht mit den Markgrafen von Spoleto und Tuszien, ja, auch mit den Fürsten im Süden und dem Kaiser des byzantinischen Reichs, um die sarazenische Pest abzuwehren und zu vernichten? Alle leiden doch unter ihr. Solange wir uns hinter unseren Mauern sicher fühlen, unternehmen wir nichts. Das ist schändlich!«
    Theophylactus gab ihr recht, fühlte sich allerdings nicht stark genug, eine Allianz gegen das Raubgesindel zu schmieden. »Du weißt genau, meine Löwin, daß jeder an sich selbst zuerst denkt, dem anderen mißtraut und Verrat befürchtet.«
    »Ihr Römer seid beschnittene Kapaune! Kraftlos, fett und feige!«
    Ihr Mann, der zwar an Gewicht zugelegt hatte, aber in seiner hünenhaften Gestalt alles andere als kraftlos wirkte, nickte und überging ihre Beleidigung ohne Kommentar.
    Theodora schaute ihn verächtlich an, warf ihm im Weggehen noch zu: »Ich habe zu Schreckliches erlebt, als daß ich Weichlinge ertragen könnte. Das weißt du. Wenn du dich nicht aufraffen kannst, etwas zu unternehmen, dann werde ich das Heft in die Hand nehmen und Männer suchen, die zu kämpfen wissen.«
    Wen sie im Auge hatte, war mir klar.
    Sie rauschte mit mir in den Frauentrakt des Hauses, wo uns die Kinder entgegengetragen wurden. Theodora gab ihnen einen flüchtigen Kuß und forderte mich auf, mich mit ihr in den Schatten eines Feigenbaums zu setzen. Noch immer kämpfte sie mit ihrer Erregung.
    »Verstehst wenigstens du mich?« fragte sie, ohne auf eine Antwort zu warten. »Nicht nur Italien zerfällt, sondern auch Rom mit seinem wankelmütigen und geldgierigen Pöbel und einem ehrlosen Adel, der sich befehdet und dabei vor Wortbruch und Mord nicht zurückschreckt, statt sich um einen entschlossenen Mann zu scharen. Es ist ein Wunder, daß noch immer Pilger nicht gänzlich ausgeraubt ihren Weg in die heilige Stadt finden und dazu beitragen, daß der Bauch der Kirche satt wird, die Wirte und Bettler, die Zöllner und Wasserträger, die Huren und Händler ihren Anteil einstreichen können. Es ist ein weiteres Wunder, daß die Campania überhaupt noch Rom ernähren kann. Und es ist eine Schande, daß wir Amalfi und Gaëta erlauben, mit der sarazenischen Beute schwunghaften Handel zu treiben. Es sind ja nicht nur oströmische Schiffe, die überfallen werden, sondern auch unsere

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