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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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lernte spät sprechen, während du früh zu plappern begannst. Auch er war ein freundliches Kind. Schon als kleiner Junge wirkte er nachdenklich, konnte sich lange über Dinge beugen, die ihm auffielen, ein Muster im Mosaikboden, einen Marienkäfer, der über ein Blatt kroch. Als ihr dann beide durch das große Haus tolltet, ließ er dir immer den Vortritt, nicht weil er das Sklavenkind war und du die Tochter eines römischen Senators, sondern weil ihm unser Schöpfer Höflichkeit und Rücksicht bereits in die Wiege gelegt hatte.«
    Ein Schatten zog über Marozias gezeichnetes Antlitz.
    Erkannte ich meine Tochter überhaupt noch in diesen trüben Augen, in diesen eingefallenen Wangen und tiefen Falten? Bisher hatte ich immer das Kind oder die junge Frau vor mir gesehen, auch als Marozia älter wurde und das Leben seine Spuren hinterließ, jetzt jedoch hockte mir eine gequälte Frau gegenüber, unversehens fern und fremd.
    Ein sehnsüchtiger Schleier legte sich über ihre Augen, als sie sprach: »Ich erinnere kaum etwas aus dieser Zeit. Alexandros vielleicht, den Spielkameraden, den Bewunderer – ja, in seinem Blick konnte ich mich sonnen, da gab es keine Zweifel und keine Forderungen, nur dieses unverbrauchte Leuchten. Auch mein Vater liebte mich sehr, er hielt mich stundenlang auf seinem Schoß, streichelte und küßte mich … War ich als Kind eigentlich jemals traurig?«
    »Du wirst sicher einmal traurig gewesen sein«, erklärte ich. »Ich erinnere allerdings eher deine Wutanfälle, wenn dir ein Wunsch abgeschlagen wurde, was selten geschah. Einmal schmückte sich deine Mutter mit einem kostbaren Perlendiadem, das ihr jemand geschenkt hatte – ich weiß nicht, wer.«
    »Vermutlich einer ihrer Geliebten …«
    Ich überging den Einwurf. »Sie setzte also das Diadem auf und ließ sich einen silbergefaßten, aus Konstantinopel eingeführten Spiegel reichen. Du mußt noch klein gewesen sein, aber bereits damals wolltest du, daß man auch dich mit dem Diadem schmückte. Deine Mutter dachte jedoch nicht daran, und du brachst in ein ungehöriges Schreien und Toben aus, das darin gipfelte, daß du irgend etwas zerbrachst. Ich glaube sogar, es war das Diadem, das dir deine Mutter schließlich entnervt reichte. Ich erinnere mich jetzt genau daran. Auch Alexandros war dabei und schaute erschrocken auf dich. Dein Vater kam hinzu, du flüchtetest dich zu ihm, deine Mutter war außer sich vor Zorn …«
    »Sie strafte mich mit tagelangem Schweigen und Verachtung.«
    »Das weiß ich nicht mehr. Kannst du dich wirklich daran erinnern? Du warst noch nicht sehr alt.«
    »Ich weiß es genau. Ich fürchtete dieses Schweigen, auch später, ihre stumme Verachtung … Nein, ich will mich nicht an meine Mutter erinnern. Laß uns lieber über Alexandros sprechen. Ali nannte ich ihn, Ali, den Diener.«
    Ja, so war es tatsächlich gewesen. Ich beobachtete damals mit Unbehagen, daß Alexandros sich zum Knecht machen ließ, zum gehorsamen Höfling, dabei floß nur edles Blut in seinen Adern. Mein Vater Philippos entstammte einem alten makedonischen Geschlecht, meine Mutter Sulamith einer jüdisch-syrischen Sippe. Sergius prahlte mit seiner nobilitas aus altrömischen Wurzeln.
    Ali, der Diener! Unglaublich! Der Makedone Alexandros hat die Welt erobert. Sein Lehrer hieß Aristoteles, mit Platon und Epikur einer der größten Philosophen, die bisher auf Erden wandelten. Im barbarischen Rom hat man allerdings wenig von ihm gehört.
    Übe dich in Demut, Aglaia! rief ich mir damals in Gedanken zu. Der Herr über Leben und Tod hat dich vom Sockel deiner hohen Geburt gestürzt. Doch wer sagt, daß dein Sohn nicht dereinst wenn nicht die Welt, so wenigstens Rom erobern wird?
    Ich begann davon zu träumen, daß beide Kinder, die dieselbe Brust genährt hatte, diese Einheit und Einigkeit nie vergessen würden – nicht als Herrin und Diener, sondern als Mann und Frau. Vielleicht hätte ich diesen Traum nie träumen dürfen – die einzige Wunde meines Lebens, die nie heilen sollte, wäre mir erspart geblieben.
    13
    Denke ich zurück an diese Jahre, auch an die folgenden, in denen die beiden Kinder im Schutz starker Mauern heranwuchsen, so kann ich mich nur wundern, daß die Stürme, die damals nicht nur über Rom, sondern über ganz Italien hinwegbrausten, kaum zu spüren waren im Brunnengeplätscher unseres Atriums, im Säuseln der Platanenblätter und im bewegungslosen Wachdienst der Zypressen. Ich erinnere in erster Linie das Glück der

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