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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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ungesühnter Verbrechen steckte.
    21
    Wir verließen Rom auf der alten Via Flaminia , um, im etrurischen Latium beginnend, die Domänen, Siedlungen und Klöster, die Theophylactus gehörten oder ihm abgabenpflichtig waren, zu besuchen. Alberichs bewaffnete Reitertruppe stellte einen Schutzschild dar, der Räuberbanden aller Art abschrecken sollte. Die Landstriche nördlich von Rom schienen von den Sarazenen noch nicht übermäßig heimgesucht zu sein, obwohl die Menschen in Angst lebten und bei unserem Anblick in Panik flohen und sich versteckten. Als wir dies begriffen, schickten wir Boten voraus, um unser Erscheinen anzukündigen.
    Rasch zeigte sich, daß die meisten der Domänen heruntergewirtschaftet waren. Die unfreien Bauern bearbeiteten ihre eigenen Gärten und Felder und dachten nur selten daran, Abgaben an den Verwalter weiterzuleiten, der sie dann nach Rom hätte bringen sollen. Was er an Naturalabgaben erhielt, verbrauchte er selbst; das Münzgeld, das gezahlt werden mußte, steckte er in die eigene Tasche. Viele der unfreien Knechte und Sklaven waren geflohen, so daß die Weizenfelder, Weinberge und Olivenhaine von Unkraut überwuchert waren. Das Vieh wirkte nicht ausreichend versorgt, teilweise krank. Jeder behauptete, die Pferde, Rinder und Schweine gehörten ihm persönlich. Seit Menschengedenken habe man weder einen Herrn aus Rom noch seinen Abgesandten gesehen, die Domänen seien unabhängig. Überhaupt müsse man sich gegen Räuberei und Sarazenen selbst schützen; bereits diese Tatsache weise darauf hin, daß es einen Herrn, der seine Schutzpflicht erfülle, nicht gebe.
    Theophylactus hörte sich die Einwände ruhig an, ersetzte anschließend fast die gesamte Verwalterschicht im nördlichen Latium oder zwang sie unter Androhung von Leibstrafen, ihn als Herrn anzuerkennen und jedes Jahr zwanzig Prozent der Ernte abzuliefern, dazu noch einen Teil des Viehbestands und Zusätzliche Geldsummen. Zugleich versprach er, in Zukunft für den nötigen Schutz zu sorgen. Mit den Klöstern, die zu seinem Besitz gehörten, verfuhr Theophylactus nachsichtiger. Sie mußten zehn Prozent abliefern. Traf man allzu viele Konkubinen und deren Kinder im Klostergelände an, wurde der Abt seines Amtes enthoben und durch einen vertrauenswürdigen Mönch ersetzt, der seinen Eid auf den Herrn leisten mußte.
    Je weiter wir die römische Campania nach Süden durchquerten, desto mehr trübte sich unsere Stimmung ein. Zahlreiche Olivenbäume waren umgehackt, Weinberge und Weizenfelder verwüstet, Höfe und Dörfer, dazu ganze Klosteranlagen niedergebrannt. Vieh war in manchen Gebieten überhaupt nicht mehr zu finden. Dafür streunten verwilderte Hunde umher, und nachts heulten die Wölfe und näherten sich uns bis auf Steinwurfweite. Tagelang trafen wir nur wenige Menschen. Gelegentlich griffen wir halb verhungerte Kinder auf, die kaum sprechen konnten; manche waren vom Aussatz befallen, andere litten an schwärenden Wunden. Frauen hockten bewegungslos am Boden, hoben nicht einmal ihre erloschenen Augen, die von Qual und Schande zeugten.
    Wo die Männer seien, fragten wir.
    Die Männer seien hingemetzelt.
    Wer hier sein Unwesen getrieben hatte, brauchten wir nicht zu fragen.
    Ob alle Männer tot seien? Keine Antwort. Ein Alter, dessen Augen verkohlten Löchern glichen und der kurz davor war, zu verdursten, krächzte: »Sie sind in den Bergen, hausen in den Wäldern. Niemand hat uns hier je geholfen.«
    Als wir weiterzogen, entdeckten wir Landschaften, die wie durch ein Wunder verschont geblieben waren. Dort erfuhren wir Genaueres über die Raubzüge der Sarazenen vom Garigliano. Viele Familien hätten rechtzeitig ihre Höfe verlassen, so hörten wir noch, und seien nach Rom gezogen, um dort durch Betteln ihr Leben zu fristen, andere seien nach Tuszien oder ins Herzogtum Benevent aufgebrochen; wer es nicht so weit schaffe, vegetiere in den Bergen dahin, lebe von Beeren und Fallenstellerei oder suche bei den großen eingefriedeten Klöstern um Hilfe, so sie nicht ebenfalls niedergebrannt seien.
    Je mehr wir uns den Pontinischen Sümpfen näherten, desto menschenfeindlicher wurde das Gelände, das einst die alten Römern entwässert hatten. Längst waren die Gräben zugewuchert, und so waren weite Gebiete zu einer sumpfigen Brutstätte blutsaugender Insekten verkommen. Sie dünsteten mephitische Dämpfe aus, die das Fieber verbreiteten. Von den wenigen hohlwangigen Menschen, die sich in die Sümpfe gerettet und bisher überlebt

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