Die heimliche Päpstin
hatten, erfuhren wir, daß die Sarazenen wohlweislich diese Gegend mieden.
Rasch zogen wir uns aus dem Morastgelände zurück, in dessen fahlem Himmel die Geier kreisten. Abends umschwebten uns Mückenwolken, die nur durch qualmende Feuer fernzuhalten waren. Zugleich schienen hier zahllose Reiher, Gänse, Enten und kleine Wasservögel in Frieden zu gedeihen, so daß wir reiche Jagdbeute machten.
Entgegen unseren Erwartungen waren wir bisher noch keinem Sarazenentrupp begegnet. Vor diesem Zusammenstoß fürchtete ich mich insgeheim am meisten. Nachts träumte ich von Yussuf und sah ihn sich über mich beugen. Ich wurde auf ein Schiff gebracht, von dem ich in einem unbewachten Augenblick ins Wasser sprang. Da ich an die anderen Gefangenen gefesselt war, zog ich alle über Bord. Das Wasser wich vor uns zurück, wir fielen und fielen, bis ich schweißnaß und schreiend aufwachte.
Als ich die Augen öffnete, saß Martinus an meiner Seite und hielt meine Hand.
Ich war ihm unendlich dankbar, obwohl ich vor hilflosem Stottern die Dankbarkeit kaum ausdrücken konnte. Er bettete meinen Kopf an seine Brust und strich mir über die Haare, bis ich wieder einschlief.
Als die ersten Fälle von tödlichem Dreitagesfieber auftraten, eilten wir ohne Unterbrechung in die Albaner Berge. Hier berieten wir die trostlose Lage.
»Wir müssen die Sarazenen zum Teufel jagen«, erklärte Alberich, der während der vergangenen Tage sein Lachen verlernt zu haben schien und auch keine Papstwitze mehr erzählte. »Wenn die Campania endgültig ausgeplündert ist, werden die Ungläubigen vor den Toren Roms stehen.«
»Um sie zu vertreiben, brauchen wir eine ganze Armee«, antwortete Theophylactus dumpf und ohne Hoffnung. »Sinnlos, das Ganze.«
Martinus starrte über die verkohlten Balken eines Dorfes. In Reichweite sammelten sich streunende Hunde, und wie aus dem Nichts tauchten abgezehrte Kinder auf und schoben sich stumm, mit ausgestreckten Knochenfingern, immer näher an uns heran. Ich konnte diesen Anblick nicht länger ertragen und verteilte einen Teil unseres Proviants an die Bettelnden. Sie stürzten sich wie Tiere über die Brote und das Vogelfleisch, schlugen sich, traten die Kleinsten nieder. Zum Schluß blieb ein vielleicht vierjähriges Mädchen tot am Boden liegen.
Als sich die Hunde ihm näherten, schrie ich und warf mit Steinen nach ihnen, aber sie knurrten mich nur mit gefletschten Zähnen an und ließen sich nicht vertreiben. Ich wollte nicht aufgeben, obwohl Alberichs Männer mich auslachten, griff mir eine verkohlte Latte und rannte auf die Hunde zu, schlug nach ihnen, bis sie sich zurückzogen. Als ich hinter einer niedergebrannten Hütte auf eine halbverweste, von Krähen und Geiern übel zugerichtete Leiche stieß, sank ich auf die Knie und mußte mich heftig übergeben. Endlich jagten die Männer die wieder heranschleichenden Hunde davon, und Martinus zog mich auf die Beine. Von ihm gestützt, schleppte ich mich zu dem toten Mädchen, um es in ein Tuch einzuwickeln und zu begraben.
Während der folgenden Nacht verfolgten mich die Bilder des Schreckens derart, daß ich überhaupt nicht zu schlafen vermochte. Während Theophylactus, Alberich und seine Kämpfer laut schnarchten, hielt Martinus mit zwei anderen Männern Wache. Ich sorgte für das Feuer, das ich hochlodern ließ, starrte in die Flammen, bis die Augen ebenfalls zu brennen schienen.
Am nächsten Morgen entdeckten wir in der Ferne einen Sarazenentrupp, der sich uns näherte. Nach kurzer Beratung zogen wir uns höher in die Berge zurück, um ihn besser abwehren und bekämpfen zu können, und machten Jagd auf Vögel und Kaninchen, da unser Proviant aufgebraucht war.
Die Sarazenen schienen sich wieder zurückgezogen zu haben, denn wir sahen sie nicht mehr. Abends schlugen wir in einem Waldstück unser Lager auf, diesmal ohne Feuer, um sie nicht anzulocken. Trübsinnig hockten wir zusammen, Decken um die Schultern geschlungen, und schwiegen uns an. Schließlich knurrte Alberich, der Papst und alle Fürsten müßten sich zusammentun, um diese Pest zu vernichten. »Und auch die Verräter von Gaëta und Amalfi müssen sich beteiligen. Sie kaufen den Ungläubigen die Sklaven und das Raubgut ab, statt eine Flotte auszurüsten und sie von der Küste zu vertreiben.«
Theophylactus nickte schweigend.
Martinus glaubte nicht an eine gemeinsame Aktion der italischen Fürsten. »Da denkt jeder nur an sich.«
Keiner wollte ihm widersprechen.
»Und was soll aus unseren
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