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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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seine Andeutung und zauberte aus seinem wollenen Umhang einen Kamm.
    »Frauen wollen schön sein, selbst wenn vor den Augen des Ewigen die Eitelkeit zu Staub zerfällt.« Er reichte mir den Kamm. Ich nahm ihn mit gleichgültigem Dank.
    Mit der Bemerkung »Wir sehen uns bald wieder« verschwand er mitsamt seinem Anhang. Marozia schien nur darauf gewartet zu haben, denn sie sprang auf, hockte sich vor mich und bat mich, ihren Kopf nach Läusen abzusuchen und anschließend zu kämmen. Auch sollte ich heute besonders gründlich die Flöhe jagen.
    »Giovanni, mein Liebling, besucht uns! Der Herr gibt mir noch einen Trost, bevor ich das Tal der Tränen verlasse, um in den Freudenschoß der Engel aufgenommen zu werden.«
    Mir lag die Ergänzung ›oder in den Feuerschoß der Hölle‹ auf der Zunge, doch verschluckte ich sie, nicht ohne einen kleinen Stich schlechten Gewissens zu spüren. Warum drängte sich mir, die ich meine Mariuccia doch liebte, ein so bösartiger Spott auf? Lag es daran, daß ich ihr Maria-Magdalena-Gehabe nur schwer ertragen konnte?
    Konzentriert machte ich mich auf die Jagd und knackte einige Flöhe. Die Klugen retteten sich rechtzeitig zu den Ratten, die sich nach genossener Krümelmahlzeit ohne Eile verzogen. Gegen die Läuseheere auf Marozias Kopf war kaum anzukommen, obwohl ihre Haarfülle sich während der Kerkerzeit gelichtet hatte. Insbesondere seit Beginn ihres Fastens fielen die Haare in Büscheln aus, zur Freude unserer Ratten im übrigen, die sie wegschleppten, vermutlich, um ihre Schlafstätten weich auszustatten.
    Die Zähne des Kamms kratzten dicke Schichten von der Kopfhaut, in denen es wimmelte. Als ich die Masse abstrich, segelten auch jetzt wieder jede Menge Haare zu Boden. Marozias Körper hatte sich versteift, bis ich merkte, daß sie stumm weinte.
    »Laß es!« schluchzte sie schließlich.
    Die Stunden zogen sich zäh hin, bis wir ferne Geräusche hörten, dann Stimmen, und schließlich standen sie tatsächlich vor uns: Giovanni, Marozias ältester Sohn, der junge pontifex maximus Johannes XI. von seiner Mutter Gnaden, mit Samtkappe auf seinem Haupt, bescheiden in eine weiße Dalmatika gehüllt, mit krummem Rücken, und neben ihm Berta, ihre jüngste Tochter, im grauen Novizinnengewand, den Kopf eingehüllt, das Gesicht mager und verhärmt.
    Marozia wollte, eher zaghaft, ihre Kinder in die Arme schließen. Giovanni-Johannes streckte ihr unsicher die Ringhand entgegen und trat zugleich einen Schritt zurück. Sie erstarrte, übersah die Hand und zog Berta an sich, die sich zwar umarmen ließ, jedoch stocksteif blieb.
    Obwohl voller Bestürzung, lächelte ich und rührte mich nicht vom Fleck. Giovanni schaute mich schließlich schuldbewußt an, ohne mir die Ringhand hinzuhalten, und als Berta stumm ihren Kopf an meiner Brust barg, schloß er sich ihr an. Ich konnte Marozia diesen Anblick nicht ersparen. Wie zwei trostbedürftige kleine Kinder klammerten sie sich an mich: Berta, die ins Kloster gesteckt worden war, statt als byzantinische Prinzessin auf Rosen gebettet zu werden, und Giovanni in seinem päpstlichen Gewand, wie zu seinem Unglück verkleidet. Ich schaute auf seinen Kopf: Wegen der strengen Tonsur umringte allein ein dünner Haarkranz seinen Schädel, und die Samtkappe war zu groß. Das Kreuz auf seiner Brust bestand aus billiger Bronze.
    Anastasius hatte zwei Hocker mitbringen lassen, ließ sie abstellen und zog sich mit seinen Gehilfen unter tiefen Verbeugungen zurück, nicht ohne die Tür fast geräuschlos zu verriegeln. Ich war mir sicher, daß Alberich einen Lauschbericht erwartete.
    Während Marozia sich stumm, mit verbittert schmalen Lippen auf ihre Pritsche setzte und Giovanni sich sein seidenes Gewand glattstrich, wollte sich Berta nicht von mir lösen. Unser jüngstes Kind war zu selten beachtet worden, wahrscheinlich, weil sie kaum Anlaß zu Sorgen gegeben hatte. Sie hatte sich von Geburt an ruhig und zurückgezogen verhalten, erstaunlich schnell zu lesen gelernt, viel gestickt und gern mit unserem dritten Sohn Konstantin gespielt, bis dieser in die Klosterschule von Farfa gesteckt wurde. Berta entwickelte sich zu einer jungen Frau mit feinen, angenehm anzuschauenden Gesichtszügen, die lange Zeit in Träume versunken im Garten verbringen konnte und, zu meiner Freude, begierig war, Griechisch zu lernen.
    Als Marozia wahrnahm, daß Berta zwar nicht die üppige Weiblichkeit ihrer Mutter und Großmutter geerbt hatte, aber keineswegs häßlich war und zudem

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