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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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Griechisch sprach, war schon der Gedanke geboren, sie nach Byzanz mit einem Kaisersohn zu verheiraten. Doch dann kam alles anders. Statt, umgeben vom weißen Marmor des gynaikeions, den ungläubigen Hofdamen von Konstantinopel in feinem Spott Roms Ruinenfelder zu schildern, statt mit ihrem jungen Gemahl im Abendschein die kaiserlichen Gärten hinab zur Meeresküste zu schreiten, an plätschernden Brunnen vorbei, im Duft von Malven und Rosen, umgeben von radschlagenden Pfauen und stolzierenden Ibissen, statt seine stürmische Männlichkeit in sich aufzunehmen und im Porphyrpalast die kaiserlichen Kinder zur Welt zu bringen, sollte sie in einem kargen Kloster ihre nie ausgesprochenen Träume, ihre durchsichtige Schönheit und ihre feingliedrige Fruchtbarkeit verlieren und dahinschwinden wie eine Kerze im Zugwind, wie eine Lilie, der das Wasser fehlte.
    Giovanni-Johannes knetete seine Finger und wußte nicht recht, was er tun und sagen sollte.
    »Setz dich!« befahl ihm seine Mutter.
    Er blieb jedoch stehen und versuchte, seinen Körper zu straffen.
    »Euch hat wohl Alberico, euer netter Bruder, geschickt!«
    Warum, fragte ich mich, fuhr Marozia ihre Kinder so barsch an? Freute sie sich überhaupt nicht? Vielleicht war sie enttäuscht darüber, daß die Kinder ihr nicht um den Hals gefallen waren, sie mitleidig bedauerten und ihr unverzüglich versprachen, um ihre Freilassung zu kämpfen.
    Berta nickte schüchtern, während Giovanni-Johannes sich räusperte und antwortete: »Alberico nimmt jetzt in Rom die Stelle ein, die du früher innehattest, alle Mächtigen in der Stadt huldigen ihm, auch ich konnte nicht anders …«
    »Ja, ja, ich weiß schon«, fiel Marozia ihm ins Wort. »Du hast den Schwanz eingezogen wie ein Hund, der Prügel erwartet. Was seid ihr alle für … für …« Sie unterbrach sich selbst, als sie die gekränkten Mienen ihrer Kinder sah.
    Bevor ich etwas Versöhnliches sagen konnte, brach sie in Schluchzen aus und preßte kaum verständliche Worte der Entschuldigung hervor. Sie kniete vor ihrer Tochter, griff nach Bertas Hand, bedeckte sie mit Küssen, erhob sich stöhnend, umarmte Giovanni, den die Wand hinderte, weiter zurückzuweichen. Nach einer Weile entschuldigte sie sich erneut, diesmal für ihren unbeherrschten Gefühlsausbruch, und setzte sich wieder.
    Das allgemeine Schweigen dauerte so lange, daß ich schon fürchtete, Anastasius würde den Besuch beenden, weil er sich in jeder Hinsicht als fruchtlos erwies. Daher fragte ich Giovanni, ob die byzantinische Gesandtschaft abgereist sei und warum das Ehebündnis nicht wie abgemacht eingehalten worden sei.
    Marozia schaute müde auf.
    »Alberico will jetzt eine ihrer Prinzessinnen heiraten. An Roms Wohlwollen habe sich nichts geändert, unterstrich er. Ich mußte vor den Gesandten betonen, daß du als senatrix et patricia romanorum freiwillig zurückgetreten seist, es dir im Prinzip gutgehe, obwohl du, zur Zeit an einer Unpäßlichkeit leidend, niemanden empfangen könntest …«
    Kaum bewegte seine Mutter ihre Hand, verstummte er.
    »Mama, ich habe doch nie Papst werden wollen!« stieß er plötzlich verzweifelt aus. »Du hast mich dazu gezwungen. Wenn ich jetzt nicht tue, was Alberico sagt, bringt er mich um. Und außerdem kann ich seinen Haß verstehen.«
    Marozia winkte müde ab: »Ich kann ihn auch verstehen. Ich kann euch alle verstehen. Ich war ein machtbesessenes Weib, nach dessen Peitsche jeder tanzen mußte.«
    »Selbstmitleid bringt uns nicht weiter«, sagte ich kühl, erstaunt über meine mitleidlosen Worte. Aber ich fand, daß dieser Besuch völlig zu mißlingen drohte. Womöglich war es das letzte Mal, daß wir uns lebend sahen: Sollten wir nicht die Vergangenheit vergessen und uns unsere Liebe zeigen?
    Marozia und ihre beiden Kinder schienen endgültig verstummt zu sein.
    »Hält sich denn nun die byzantinische Gesandtschaft noch in Rom auf?« versuchte ich das Gespräch wieder aufzunehmen.
    Giovanni schüttelte den Kopf, und in Bertas Augen standen Tränen, obwohl sie tapfer lächelte, als ich sie forschend ansah.
    »Mir geht es gut«, flüsterte sie mir zu. »Die Mutter Oberin ist sehr nett zu mir. Sie hat mir sogar eine Bibel in Griechisch gegeben, außerdem darf ich Homer lesen.«
    Nun standen auch in meinen Augen Tränen, und ich streichelte Berta über die Wange.
    »Selbstmitleid bringt uns nicht weiter«, zitierte mich Marozia, müde, ja resigniert.
    »Du hast recht«, antwortete ich nickend, und wieder dehnte sich

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