Die Heiratsschwindlerin
Sie, Liebes«, sagte Mrs. Able. »So über Nacht zum Jetset zu gehören.«
Olivia wehrte entrüstet ab.
»Es ist ja wohl kaum so, dass Milly aus unterprivilegierten Verhältnissen stammt«, rief sie aus. »Du bist an den Umgang mit allen möglichen Leuten gewöhnt, stimmt’s, Schatz? In Millys Schule«, setzte sie hinzu und warf Mrs. Able einen befriedigten Blick zu, »gab es eine arabische Prinzessin. Wie hieß sie doch gleich?«
Milly hielt es nicht mehr aus.
»Ich muss los.« Sie stand auf, ohne ihren Kaffee getrunken zu haben.
»Stimmt«, sagte Olivia. »Leg noch etwas Make-up auf. Du möchtest für Alexander doch besonders gut aussehen.«
»Ja«, meinte Milly schwach. An der Küchentür blieb sie noch einmal stehen. »Isobel hat nicht zufällig heute Morgen angerufen und mich sprechen wollen?«, erkundigte sie sich beiläufig.
»Nein«, erwiderte Olivia. »Ich schätze, sie ruft dich später an.«
Um zwanzig vor elf erschien Alexander an der Wohnzimmertür.
»Hi, Milly!«, sagte er. »Tut mir leid, dass ich mich ein bisschen verspätet habe.«
Milly bekam Herzflattern, als müsste sie eine Prüfung ablegen oder zum Zahnarzt gehen.
»Macht nichts«, sagte sie und legte die Zeitschrift Country Life fort, die sie zu lesen vorgegeben hatte.
»Stimmt«, sagte Olivia, die hinter Alexander den Raum betrat. »Was meinen Sie, Alexander, am Fenster oder am Klavier?«
»Einfach da, wo Milly gerade sitzt«, sagte Alexander und musterte Milly kritisch. »Ich werde ein paar Scheinwerfer aufstellen müssen …«
»Möchte jemand einen Kaffee?«, fragte Olivia.
»Ich mach ihn schon«, sagte Milly rasch und eilte ohne einen Blick zurück aus dem Raum. Auf dem Weg zur Küche warf sie einen Blick in den Spiegel. Ihre Haut war trocken, in ihren Augen lag ein ängstlicher Ausdruck, wie eine glückliche Braut sah sie beileibe nicht aus. Sie grub ihre Fingernägel in die Handfläche und zwang sich zu einem strahlenden Lächeln. Alles würde gut gehen. Wenn sie sich bloß zu einem selbstsicheren Auftreten zwingen konnte, dann würde alles gut gehen.
Bei ihrer Rückkehr war das Wohnzimmer in ein Fotostudio verwandelt worden. Ein weißes Tuch lag ausgebreitet auf dem Boden, und weiße Schirme und Scheinwerfer umgaben das Sofa, auf dem Olivia saß und befangen in Alexanders Kamera lächelte.
»Ich spiele gerade deinen Ersatz«, meinte sie fröhlich.
»Nervös?«, fragte Alexander Milly.
»Nicht die Spur«, erwiderte sie kühl.
»Zeig mir mal deine Fingernägel, Schatz«, sagte Olivia und erhob sich. »Wenn wir deinen Verlobungsring sehen …«
»Die sind in Ordnung«, schnauzte Milly und entriss ihre Hände dem mütterlichen Griff. Sie ging vorsichtig über das weiße Tuch, setzte sich auf das Sofa und sah mit größtmöglicher Ruhe zu Alexander auf.
»So ist’s recht«, sagte Alexander. »Und jetzt entspannen Sie sich einfach. Setzen Sie sich ein bisschen zurück. Lockern Sie Ihre Hände.« Er beäugte sie eine Weile kritisch. »Könnten Sie sich das Haar aus dem Gesicht streichen?«
»Ah, da fällt’s mir wieder ein!«, rief Olivia aus. »Diese Fotos, von denen ich Ihnen erzählt habe. Ich hole sie.«
»Okay«, meinte Alexander geistesabwesend. »So, Milly, ich möchte, dass Sie sich ein wenig zurücklehnen und lächeln.«
Automatisch gehorchte Milly seinen Befehlen und spürte, wie ihr Körper sich entspannte und sie in die Kissen des Sofas sank. Alexander schien sich völlig auf seine Kamera zu konzentrieren. Der Gedanke, man könne sich schon einmal getroffen haben, schien völlig vom Tisch zu sein. Sie hatte sich grundlos Sorgen gemacht, beruhigte sie sich. Alles würde gut gehen. Sie warf einen Blick auf ihren Ring, der hübsch an ihrer Hand funkelte, und verlagerte die Beine in eine vorteilhaftere Position.
»So, da sind sie!«, sagte Olivia und eilte mit einem Fotoalbum zu Alexander. »Das sind die Fotos von Isobel, kurz vor ihrer Abschlussprüfung. Also, uns haben die Fotos großartig gefallen – aber uns fehlt natürlich das Expertenauge. Was halten Sie davon?«
»Nett«, kommentierte Alexander, nachdem er einen kurzen Blick darauf geworfen hatte.
»Finden Sie wirklich?«, fragte Olivia erfreut. Sie blätterte zurück. »Da ist sie wieder. Und hier noch mal.« Sie blätterte noch weiter zurück. »Und das ist Milly ungefähr zur gleichen Zeit. Das muss jetzt zehn Jahre her sein. Schauen Sie sich doch nur ihr Haar an!«
»Nett«, meinte Alexander automatisch. Er drehte den Kopf, um
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