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Die Heiratsschwindlerin

Die Heiratsschwindlerin

Titel: Die Heiratsschwindlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Kinsella
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alles Mögliche. Meine Neugierde ist geweckt. Du kommst jetzt besser mal rein.«
    Im Wohnzimmer knisterte ein Feuer, und ein Krug mit Glühwein verströmte einen köstlichen Duft. Während Milly Esme ihren Mantel gab und dankbar auf das Sofa sank, fragte sie sich wieder einmal erstaunt, wie solch eine welterfahrene, kultivierte Frau mit ihrem langweiligen Vater verwandt sein konnte.
    Esme Ormerod war eine Halbkusine von James Havill. Sie entstammte einem betuchteren Familienzweig, war in London aufgewachsen und hatte zu James wenig Verbindung gehabt. Aber dann, ungefähr zu der Zeit, als Milly geboren wurde, war sie nach Bath gezogen und hatte sich höflich um Kontakt zu ihm bemüht. Olivia, beeindruckt von dieser neuen, reichlich exotischen Verwandten ihres Mannes, hatte sie unverzüglich gefragt, ob sie nicht Millys Patentante werden wolle, mit dem Hintergedanken, sie könnten sich auf diese Weise näher kommen. Doch die beiden waren nie Freundinnen geworden. Soweit Milly wusste, war Esme mit niemandem direkt befreundet. Jeder in Bath kannte die schöne Esme Ormerod. Viele hatten an Partys in ihrem Haus teilgenommen, hatten ihre ungewöhnlichen Gewänder und die ständig wechselnde Sammlung von objets in ihren Räumen bewundert, aber kaum einer konnte sich damit brüsten, Esme gut zu kennen. Selbst Milly, die ihr von allen Havills am nächsten stand, hatte oft keine Ahnung, was sie gerade dachte oder was sie als Nächstes sagen würde.
    Ebenso wenig war ihr klar, womit Esme eigentlich ihr Geld verdiente. Esmes Familienzweig war zwar vermögend, aber so weit, so die gängige Meinung, war es damit auch wieder nicht her, dass Esme davon all die Jahre ihren bequemen Lebensstil hätte bestreiten können. Die wenigen Gemälde, die sie gelegentlich verkaufte, reichten, wie Millys Vater es ausdrückte, nicht einmal, um damit ihre Samtschals zu bezahlen; ansonsten aber bezog sie offensichtlich kein Einkommen. Infolgedessen gab die Frage nach Esmes Geld Anlass zu so mancher Spekulation. Eines der letzten Gerüchte, die in Bath kursierten, war, dass sie einmal im Monat nach London reiste, um es dort gegen ein ansehnliches Taschengeld mit einem alternden Millionär ganz unbeschreiblich zu treiben. »Also, wirklich, was für ein Unsinn«, hatte Olivia gesagt, als sie davon gehört hatte – um dann im nächsten Atemzug einzuräumen: »Aber möglich wär’s wohl schon …«
    »Nimm dir doch einen.« Esme reichte Milly einen Teller mit Gebäck, jedes einzelne eine wunderbare, einzigartige Kreation.
    »Mhm, die sehen aber gut aus!« Milly schwankte, ob sie ein mit Kakaospiralen oder ein mit Mandelsplittern dekoriertes Plätzchen nehmen sollte. »Wo hast du die denn her?«
    »Aus einem kleinen Laden, den ich kenne«, erklärte Esme. Milly nickte und biss in die Kakaospiralen: Ein himmlischer, schokoladiger Geschmack erfüllte sofort ihren Mund. Esme schien alles von winzigen, namenlosen Läden zu beziehen – im Gegensatz zu Olivia, die große Häuser mit wohl bekannten Namen vorzog. Fortnum and Mason. Harrods. John Lewis.
    »Na, erzähl mal, wie geht’s mit den Hochzeitsvorbereitungen voran?«, erkundigte sich Esme, die sich vor dem Kamin auf den Boden gesetzt hatte und die Ärmel ihres grauen Kaschmirpullovers hochschob. Der Opalanhänger, den sie immer trug, schimmerte im Licht des Feuers.
    »Gut«, sagte Milly. »Du weißt ja, wie das ist.« Esme zuckte unverbindlich die Achseln, und Milly registrierte, dass sie schon seit Wochen, wenn nicht Monaten, nicht mehr mit ihrer Patin gesprochen hatte. Aber das war nichts Ungewöhnliches. Seit Millys Teenagertagen war ihre Beziehung immer in Phasen verlaufen. Wann immer zu Hause dicke Luft geherrscht hatte, war Milly umgehend zu Esme aufgebrochen. Esme verstand sie immer, Esme behandelte sie stets wie eine Erwachsene. Milly verbrachte dann Tage bei ihrer Tante, machte sich ihre Gedanken zu eigen, nahm ihre Ausdrucksweise an und half ihr, interessante Gerichte mit Zutaten zuzubereiten, von denen Olivia noch nie gehört hatte. Sie saßen in Esmes Wohnzimmer, tranken gekühlten Weißwein, lauschten Kammermusik. Milly fühlte sich erwachsen und kultiviert und schwor sich, künftig nach Esmes Fasson zu leben. Kaum war sie dann wieder ein oder zwei Tage zu Hause, nahm sie ihr Leben genau da wieder auf, wo sie es verlassen hatte – und Esmes Einfluss belief sich auf nicht mehr als das eine oder andere neue Wort oder eine Flasche kaltgepressten Olivenöls.
    »Tja, Schatz«, sagte Esme

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