Die heißen Kuesse der Revolution
Nacht gepackt hatten. Julianne blieb traurig stehen.
Die Diener trugen die Koffer zu Dominics Kutsche und schnallten sie auf dem Dach fest.
„Gut gemacht“, sagte Sebastian Warlock.
Sie drehte sich um. Ihr Onkel stand neben Dominic oben an der Treppe. Er wirkte erfreut, Dominic hingegen blickte zornig. „Ihr habt ihn nicht geschnappt!“
„Ich habe nie behauptet, dass wir ihn festnehmen wollten, Julianne. Aber wir kennen jetzt die wahre Identität dieses Mannes.“
Man hatte ihr etwas vorgemacht. „Ihr seid im Pantheon gewesen?“
„Aber natürlich waren wir da“, sagte Sebastian Warlock freundlich.
Julianne sah Dominic an. Sie erkannte sofort, dass Marcels wahre Identität, wer immer er auch sein mochte, keine gute Nachricht sein konnte. Zum ersten Mal seit Tagen wich er ihrem Blick nicht aus. „Was ist?“, flüsterte sie.
Er antwortete nicht.
„Unglücklicherweise ist Marcel ein Mann von sehr hohem Rang“, sagte Sebastian Warlock.
Julianne begann, sich zu fürchten.
Sebastian Warlock kam die Stufen hinab. Er ergriff ihre Hand und führte sie tatsächlich an die Lippen. „Ich weiß, du magst mich nicht, aber wenn du jemals etwas brauchen sollest, musst du mir nur eine Nachricht zukommen lassen.“
Sie entzog ihm ihre Hand, als hätte sie sich verbrannt. Sollte das heißen, dass sie entlassen war?
Als sie sich wieder Dominic zuwandte, wusste sie Bescheid. Ihr Herz verkrampfte sich, als ihre Blicke sich trafen.
Auch er schritt die Treppe hinab. „Ich stelle dir für die Rückfahrt nach Cornwall meine Kutsche zur Verfügung.“
Sie blickte ihn atemlos an. „Ich kann doch nicht einfach so verschwinden.“
„Du hast keine andere Wahl.“ Er nahm ihren Arm und geleitete sie zur Kutsche.
Juliannes Herz zog sich angstvoll zusammen. Sie sollte aus seinem Leben verschwinden? Und was, wenn Nancy doch recht hatte und er ihr eines Tages vergeben konnte? Aber das würde niemals geschehen, wenn sie abreiste, ohne sich ihm zu erklären! „Bitte lass mich noch einmal mit dir reden. Bitte!“
Sie standen vor der Kutsche, einer der Diener öffnete die Tür. „Es gibt nichts mehr zu sagen.“ Dominic sah sie noch nicht einmal an.
„Es tut mir so leid! Ich liebe dich!“
Entschlossen schubste Dominic Julianne in die Kutsche. Sie stürzte auf die Sitze, während er die Tür von außen zuschlug.
Sie sprang hoch und riss das Fenster auf. Dominic stand noch da. Sie starrten sich an. Ohne sie aus den Augen zu lassen, nickte er dem Kutscher zu. Sie hörte, wie die Bremse gelöst wurde. „Gehst du zurück nach Frankreich?“, rief sie.
Dominic trat einen Schritt zurück, und die Kutsche setzte sich in Bewegung.
Er schickte sie weg und kehrte nach Frankreich zurück. Es war vorbei.
Julianne hing am Fenster und blickte hinaus, bis sie ihn nicht mehr sehen konnte.
17. KAPITEL
September 1793 – Cornwall, England
A ls sie den kahlen Umriss des alten Herrenhauses von Greystone sah, zog Julianne ihren Wollmantel enger um sich. Wie verlassen, grau und einsam ihr das Haus nun vorkam. Ihr war erbärmlich zumute. Regen lag in der Luft, und Julianne fühlte sich genauso verlassen, grau und einsam, wie ihr das Haus vorkam, in dem sie aufgewachsen war.
Sie schlang die Arme um sich, aber nicht, um sich zu wärmen.
Die Rückreise aus London war endlos gewesen. Man hatte Nancy mitgeschickt, um ihr Gesellschaft zu leisten, doch alle Mühe, Julianne aufzuheitern, war vergeblich. Julianne schaffte es kaum, überhaupt etwas zu erwidern. Wie sollte sie auch. Ihr Herz war zerbrochen, und sie reiste in einer Kutsche, die voller Erinnerungen steckte. In dieser selben Kutsche war sie oft mit Dominic gefahren. Sie konnte sich noch an jedes einzelne Mal erinnern. Julianne hatte Dominic noch nie so sehr vermisst.
Die Zukunft lag genauso grau vor ihr wie dieser Herbsttag in Cornwall.
Als die Kutsche hielt, blickte Julianne zum Haus hinauf. Es war wirklich vorbei, und sie musste lernen, damit zu leben. In Zukunft würden ihr nur noch ihre Erinnerungen Gesellschaft leisten. Aber diese Erinnerungen durften sie nicht zerstören, sie mussten sie trösten. Schließlich musste sie an ihr Kind denken.
Sollte Dominic diesen unerträglichen Krieg überleben, würde sie ihm irgendwann von seinem Kind erzählen.
Julianne hatte immer noch so viel Angst um Dominic. Inzwischen musste er sich in der Republik befinden. Steckte er schon in einer Schlacht an der Loire, während sie hier sicher in seiner Kutsche saß? Oder spielte er
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