Die heißen Kuesse der Revolution
St. Just?“
„Du hast ein verblüffend gutes Gedächtnis, Charles.“
„Du sagtest, er sei ein Patriot. Damit ist er natürlich ein Feind von mir“, sagte er liebenswürdig. „Selbstverständlich werde ich das nicht vergessen.“ Aber was hatte es mit dieser Geschichte auf sich? Er kannte Simon Grenville seit Jahren zwar nicht gerade als Frauenheld, aber durchaus an schönen Mätressen interessiert. Dominic konnte sich nicht vorstellen, dass Simon jemals Amelia Greystone den Hof gemacht haben könnte. Sicherlich hatte die zierliche, aber oft mürrische Amelia das Verhalten seines Freundes vollkommen falsch eingeschätzt. „Deine Schwester wollte sich einen Earl angeln?“
„Damals war er noch kein Earl, nicht einmal der Erbe des Titels oder des Vermögens“, sagte Julianne. „Und meine Schwester war auch gar nicht darauf aus, sich einen Mann zu angeln. Der Earl of St. Just ist ihr auf dem Markt über den Weg gelaufen, als er noch ein Baron war. Danach hat er uns ständig besucht, aber offenkundig hegte er keine ehrenhaften Absichten, denn nachdem sein Bruder gestorben war, hat er die Gegend verlassen und sich nie wieder hier sehen lassen.“ Sie schaute bitter drein. „Er hat nicht ein einziges Mal geschrieben.“
Dominic konnte sich Simon Grenville nicht als vernarrten Bengel vorstellen, aber sein älterer Bruder war bereits vor neun oder zehn Jahren gestorben. Menschen konnten sich ändern.
„Sieh mal“, sagte Julianne.
Vor ihnen ragten zwei große Felsblöcke in die Höhe. Julianne ergriff seine Hand und führte ihn mit einem Grinsen im Gesicht um die Felsen herum, bis sie vom Haus nicht mehr gesehen werden konnten.
Sofort nahm er sie in die Arme. Sein Herz pochte aufgeregt. Julianne lächelte nicht mehr, aber das Verlangen in ihren Augen war unverkennbar und offenbar ebenso überwältigend wie sein eigenes. Erst vor wenigen Stunden war sie aus seinem Bett geschlüpft, doch schon jetzt war er wieder wie von Sinnen vor Lust.
Warum sollte er nicht noch einige Tage länger hier bei ihr verweilen? Wenn er erst einmal weg war, würde er niemals mehr zurückkehren. Dann gäbe es nur noch ein paar kurze Augenblicke in London, bevor er wieder in die Wirren von Krieg und Spionage, Revolution und Tod abtauchen würde.
„Charles“, flüsterte sie heiser, „liebe mich.“
Er atmete tief durch. Sie wusste, er war so weit wieder hergestellt, dass er jederzeit aufbrechen konnte. Sie wusste, dass der Tag näher rückte, obwohl sie nicht darüber gesprochen hatten.
Dominic küsste sie ungestüm, bevor er sie mit sich in den Sand zog.
„So fröhlich habe ich dich ja noch nie gesehen“, sagte Tom Treyton. Er musterte Julianne scharf.
Sie lächelte ihn herzlich an. Sie saßen nebeneinander auf dem Kutschbock und rumpelten die steinige Straße nach Greystone entlang. Tom hatte sein Pferd hinten angebunden. Seitdem sie und Charles sich am Meeresstrand einander hingegeben hatten, waren mehrere Tage vergangen. Sie war nach Penzance gefahren, um Vorräte zu besorgen, und war vor dem Laden des Kerzenmachers beinahe mit Tom zusammengestoßen. Seit Charles vor drei Wochen zu ihnen ins Haus gekommen war, hatte sie nicht mehr mit Tom gesprochen. So eilig sie es auch hatte, zu ihrem Geliebten zurückzukehren, so dringend wollte sie auch mit Tom plaudern. Tom kannte grundsätzlich alle Neuigkeiten, und die wollte nicht nur sie selber wissen, auch Charles musste davon unterrichtet werden.
Ihr Geliebter.
Wenn sie an ihn dachte, pochte ihr das Herz vor lauter Liebe und Verlangen. Seit genau zwölf Tagen schlich sie sich jede Nacht in sein Zimmer und spazierte nachmittags mit ihm über die Klippen oder die Bucht entlang, nur um sich ungestüm einander hingeben zu können. Julianne war sich bewusst, dass sie längst nicht mehr klar dachte, sobald Charles in der Nähe war. Sie war bis über beide Ohren verliebt.
Und sie war überzeugt, dass er sie ebenso liebte. Seine Leidenschaft war inzwischen viel größer als zu Beginn ihrer Affäre. Die tickende Uhr war ihm natürlich genauso bewusst wie ihr, ihre Zeit miteinander neigte sich dem Ende zu. Er fragte sie aus über ihr Leben in Greystone, ihre Erinnerungen und Empfindungen und über ihre Zukunft.
Der Gedanke an seine Abreise verängstigte sie.
Natürlich sprachen sie nie darüber. Es war, als hätten sie ein stummes Übereinkommen geschlossen, nur für den Augenblick zu leben. Sie waren leidenschaftlich, hemmungslos und lebten gefährlich.
Heute Morgen hatte sie
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