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Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Titel: Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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Vereinigten Staaten von Amerika. »I work at the theatre …«, brachte Sven seine Erklärung vor und wagte einen weiteren Schritt.
    Der Soldat hob blitzschnell die Hand zu einer unmissverständlichen Keinen-Schritt-weiter-Geste. Seine Augen waren zusammengekniffen.
    »At the Thalia theatre. You know it?«, fuhr Sven fort, die drohende Geste des Jungsoldaten ignorierend.
    Sven griff in die Brusttasche seiner Jacke, um den Prospekt herauszuholen, in dem seine Inszenierung von Der Besuch der alten Dame angekündigt war. Darin stand auch der Name von Mahmoud, dem New Yorker Musiker, um den es ging. Mit diesem Programm wollte er sein Dilemma erklären. Damit ließe sich beweisen, dass Mahmoud ein anerkannter Künstler war und keiner dieser Irren, die sich selbst in die Luft jagten, um dann mit siebenundzwanzig Jungfrauen im Himmel Sex zu haben.
    Das hatte Sven sowieso nie eingeleuchtet: Wieso wollte jemand partout Sex mit Jungfrauen haben? Sex ist doch erst dann richtig gut, wenn der Partner weiß, was er tut, und die wichtigsten Kniffe kennt. Sex mit einer Jungfrau war doch wie eine Jamsession mit einem Pianisten, der gerade seine erste Klavierstunde hatte und noch den C-Dur-Akkord suchte. Aber vielleicht war das so ein Hetero-Ding, so eine Alphatier-Machtnummer. Eigentlich war es Sven auch völlig egal. Er war nicht hier, um das Geheimnis der Jungfrauenfaszination zu ergründen, sondern um Mahmoud in einen Flieger von New York nach Hamburg zu setzen. Und dafür brauchte er den Prospekt in seiner Jackentasche. Also griff er danach … und ehe er sich versah, lag er auf dem Boden! Der Soldat hatte ihn in der Sekunde gepackt, als er in seine Tasche griff, vermutlich in der paranoiden Annahme, Sven würde im nächsten Moment eine Schusswaffe zücken. Der Soldat hatte Sven zu Boden geschleudert, ihm das Knie ins Kreuz gerammt, was enorm schmerzhaft war, und hielt ihn nun auf dem Boden fest, indem er Svens Arm auf den Rücken drehte. Dabei hatte er mit seiner merkwürdig mickrigen Knabenstimme etwas gerufen. Zwei weitere Soldaten waren eilig herbeigelaufen. Einer hatte sein Maschinengewehr gezückt.
    Das war doch absurd!
    »Hey!«, protestierte Sven und versuchte, sich aufzurichten, doch als einer der beiden anderen Soldaten die Waffe auf ihn richtete und immer wieder kreischte: »Stay down! Stay down!«, erschien es Sven klüger, tatsächlich liegen zu bleiben.
    Svens Blick wanderte über die Gesichter der beiden Soldaten. Einer schaute sich nervös um, als erwartete er weitere, feingliedrige blonde Herren Anfang vierzig, die unbewaffnet die Botschaft stürmen wollten und unbedingt aufgehalten werden mussten. Der andere sprach in ein Funkgerät. Er hatte einen grotesk breiten Südstaatenakzent. Den Dritten, der hinter ihm hockte und ein gewisses Vergnügen dabei zu empfinden schien, Svens Arm immer noch einen Tick weiter in einen schmerzhaften Winkel zu drehen, konnte Sven nicht sehen. Dafür sah er das dümmliche Gesicht von George W. Bush, das in dem kleinen Wachhäuschen an der Wand hing.
    Plötzlich begannen die Männer alle gleichzeitig loszuschreien. Sie brüllten einen Mann an, der auf der anderen Straßenseite stand und die Ereignisse in dem Vorgarten der Botschaft fotografierte.
    »Stop it!«, riefen die Soldaten. »Camera off! No photos!«
    Doch der Mann knipste noch ein paar weitere Bilder und ließ sich nicht beirren. Er wusste offenbar, dass die Macht der Soldaten an dem Zaun endete, der die Bundesrepublik Deutschland vom amerikanischen Hoheitsbereich trennte.
    »Fuck«, fluchte der Soldat auf Svens Rücken. Dann riss er Sven schmerzhaft hoch.
    Die drei Soldaten schoben und zerrten Sven durch den Vorgarten ins Gebäude.
    Immerhin, dachte Sven grimmig, als er in die Eingangshalle geschubst wurde, ich bin drin.
    * * *
    Es war gar nicht so leicht, jemanden umzubringen. Ich starrte den Monitor meines Computers an und zwang mich zu morbiden Gedankengängen. Mit mäßigem Erfolg.
    Gleich nach dem Gespräch mit meinem Lektor, bei dem ich ihm die Zusage für einen Kriminalroman aus dem Kreuz geleiert hatte, war ich in die Öffentlichen Bücherhallen gegangen und hatte mich schlauzumachen versucht, welche Krimis derzeit gelesen wurden. Schließlich musste dieses Buch ein Hit werden. Es musste einfach! Meine Zukunft hing davon ab.
    Die Bibliothekarin hatte mich mit Hingabe beraten. Sie war offenbar ein Krimifan, stapelte einen Schmöker nach dem anderen in meine Arme und gab mir zu jedem Autor und jeder Autorin

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