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Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)

Titel: Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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sich mächtig einen hinter die Binde. Und spätestens seit sie diesen komischen Typen mit dem Hells-Angels-T-Shirt gesehen hatten, der bedrohlich mit einer Leuchtpistole herumfuchtelte, hätte die Kirschkernspuckerbande ein harmloses Tischfeuerwerk eindeutig bevorzugt.
    Es war zwanzig vor zwölf. Bald würde das große Feuerwerk über dem Hafen funkeln. Und so nervig, so kalt, so blöd es hier auch sein mochte, es wäre Schwachsinn gewesen, jetzt den Rückzug anzutreten. Die paar Minuten bis zur großen Show würden die Freunde schon noch durchhalten.
    »Ein Pflegekind?!«, brüllte Petra gerade Jörn entgegen.
    »Ja«, bestätigte der. »Eine Adoption ist für Schwule in Deutschland de facto unmöglich. Aber es gibt so viele Kinder, die eine vorübergehende Heimat brauchen, dass die Typen in den Behörden sogar dubioses Volk wie uns eines aufnehmen lassen.«
    »Was sind das denn für Kinder?«, wollte Petra wissen.
    »Ganz unterschiedlich«, rief Jörn gegen den Krach der Hunderttausend an. »Oft sind es Kinder von Alkoholikern und Drogensüchtigen. Kinder, die vernachlässigt wurden, oder Kinder, deren Mutter in den Knast muss und deren Vater unbekannt ist. Manchmal auch Waisenkinder, die noch nicht zur Adoption vermittelt wurden. Auf jeden Fall steckt immer ein echt großes Schicksal dahinter.«
    »Das könnte ich nicht!«, mischte sich Dille brüllend ein. »Mich um so ein Problemkind kümmern.«
    »Du kannst dich ja nicht mal um dein eigenes richtig kümmern«, murmelte Petra. Doch das hörten weder Jörn noch Dille.
    »Und wisst ihr schon, wann ihr so ein Pflegekind bekommt?«, fragte Susann, die mit Piet zusammen sechs Becher Glühwein von einem Getränkenstand geholt hatte und an alle verteilte.
    Sven schüttelte den Kopf: »Es kommt, wenn’s kommt. Da muss man flexibel sein.«
    »Kinder sind toll!«, rief Susann, während eine gackernde dicke Frau sie anrempelte, die ein Papphütchen trug und eine Schinkenwurst so ausladend schwenkte, als wäre es ein Zauberstab. »Eine einmalige Erfahrung! Wirklich! Ohne Kinder fehlt einem etwas im Leben.«
    Petra warf einen Blick zu Dille hinüber, um dessen Reaktion auf Susanns Grundsatzerklärung zu beobachten. Doch ihr Mann hatte scheinbar gar nicht zugehört. Er kniff die Augen zusammen, blickte in die Ferne und schien dort etwas sehr Interessantes auszumachen.
    »Apropos Kinder«, rief er. »Ich glaube, da hinten kommen gerade zwei von unseren.«
    Alle Köpfe drehten sich in die Richtung, in die Dille schaute. Und richtig: Da waren Lucy und Florian, die mit einem Pulk ihrer Freunde ziemlich genau in ihre Richtung walzten. Lucy zog gerade an einem Joint.
    Petra wedelte mit den Armen. »Hey!«, brüllte sie so laut, dass sie selbst in diesem Tumult auffiel und sich mindestens fünfzig Menschen zu ihr umdrehten. Darunter auch ihre Zwillinge. Als Lucy ihre Mutter erkannte, ließ sie hastig den Joint fallen und versuchte, harmlos dreinzuschauen. Florian winkte, die Truppe vollzog eine leichte Kursänderung und kam auf sie zu. Einer der Kumpels ihrer Sprösslinge fing plötzlich begeistert zu winken an. Er strahlte über das ganze Gesicht und rief: »Huhu, Mama!«
    Mama?
    Petra erkannte Adolf, ihren sonderbaren Geburtshelfer. Vermutlich hatte er keine Ahnung, wie sie mit Vornamen hieß. Sie war einfach Mama für ihn. Die Mama ihrer Mitbewohner und die Mama des Babys, das er geholfen hatte auf die Welt zu bringen. Er strahlte Petra an, als gäbe es niemanden sonst, den er in diesem Moment lieber sehen würde. Petra fand das lustig. Und seltsam rührend. Auch wenn sie es nach wie vor irritierend fand, dass einer der ganz wenigen Männer dieser Welt, die ihre Vagina gesehen hatten, Adolf hieß und, diplomatisch ausgedrückt, nicht der Hellste war, waren die gemeinsam durchlittenen Presswehen doch tatsächlich etwas, was sie miteinander verband. Also winkte sie zurück. Adolf strahlte.
    »Ihr kommt ja gerade rechtzeitig zum Feuerwerk!«, rief Dille seinen Kindern zu, als sie kurz darauf neben ihm standen.
    »Nee, wir sind auf dem Weg zur U-Bahn. Wir boykottieren das Feuerwerk«, antwortete Florian.
    »Wie kann man denn ein Feuerwerk boykottieren?«, rief Piet.
    »Indem man nicht hinguckt«, erklärte Florian.
    »Und warum boykottiert ihr es?«, wollte Dille wissen.
    »Mensch, ist doch klar! Das kostet ein Schweinegeld! Damit könnte man Brunnen bauen in Afrika oder Obdachlosenprojekte finanzieren oder …«, rief Lucy.
    »Oder Haschisch kaufen«, unterbrach Petra.
    »Das war

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